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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1891

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Heft 1/2
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Krell, F.: Mittelalterliche Wohnungsausstattung und Kleidertracht in Deutschland, [1]: Vortrag, gehalten im bayer. Kunstgewerbe-Verein von F. Krell
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Rittklaltkrligk MognWsaüsstattW W KleidKtragt in NentUlaN.

Vortrag, gehalten im bayer. Kunstgewerbe-Verein, von Prof. Or. P. K. Krell.

«>

N der Art, wie wir unsere Wohnung aus-
ftatten, und in der Art, wie wir uns kleiden,
gibt sich der Geist unserer Zeit sowohl, als
auch die Ligenart jedes Einzelnen zu erkennen.

Die Spiegelgalerie zu Versailles ist z. B.
für Ludwig XIV. ebenso charakteristisch, wie
sein theatralisches, aus bunten Seidenstoffen,
Spitzen, edlen Metallen, Juwelen und Straußenfedern zu-
faminengesetztes Kostüm.

Man kann die Wohnung und ihre Ausstattung
gleichsam als eine weitere Gewandung des Inhabers
derselben bezeichnen. Ja es läßt sich die Tracht von der
Wohnungsausstattung nicht einmal völlig loslosen; sie bezieht
sich auf diesen Hintergrund und er aus sie. 5o erscheint,
um bei den, vorhin angezogenen Beispiel zu bleiben, d,e
Tracht der vornehmen in der Zeit Ludwig XIV., wenn
man sich nicht jene Säle mit schimmernden bunten Seiden-
gobelins, mit schweren Vergoldungen, Spiegelflächen und
Krystalllüstern als Hintergrund hinzudenkt, gespreizt, ja
beinahe lächerlich und übertrieben. Im Gefühl, diesen
Rahmen zu bedürfen, sorgten diese Halbgötter auch dafür,
die Natur thunlichst zur Kulisse für ihren theatralischen
Pomp umzuwandeln. In Versailles geschah dieß nicht
uur durch den immensen park, der, rückwärts an das Schloß
flch anschließend, die freie Natur von dem letzteren weit
abdrängte, auch auf der vorderen Zufahrtstraße, dem Ende
c-. Weges von Paris nach Versailles, ließ man die Atmo-
-l..kes ^ofes eine große Strecke vorher sich ankündigen.
k ^ dume der, diese Straße einsäumenden Allee wurden
derart zugeschnitten, daß ihr Laubwerk je eine umgekehrte
abgestutzte Pyramide bildete.

So viel nun aber auch Wohnungsausstattung und
Kleidertracht Gemeinsanres haben, so kann doch von einem
genauen parallelgehen keine Rede sein, da verschiedene
Faktoren auf diese beiden Dinge in ungleicher weise einwirken.
Es gibt Völker des Orients, welche in verfallenen schmuck-
losen Steingebäuden Hausen, sich aber in eine ungemein
bunte und reiche Tracht stecken. Das ist z. B. in Palästina
der Fall, wo sogar Steinklopfer Schultermäntel tragen aus
hochrotstem Stoffe, der mit Silberlitzen besetzt ist. Andrer-
seits kontrastirt die moderne einfache Tracht, zu welcher in
unserer Zeit auch die vermöglichsten, wenigstens was die
Männer betrifft, sich bequemen, mit unfern Wohnungs-
einrichtungen, deren doch gar manche mit dem ganzen Auf-
gebot kunstgewerblichen Könnens ausgeschmückt sind.

Leichter umzugestalten, leichter zu wechseln ist die Tracht;
schneller wird sich in ihr eine neu auftretende Zeitströmung
ankündigen können, andrerseits ist dagegen die Kleidung
von der einzelnen Persönlichkeit weit mehr bedingt.

Durch die folgende Betrachtung eines Abschnittes der
Kulturgeschichte sollen nicht nur weitere Belege für die
aufgestellten Behauptungen erbracht werden, sondern auch
der Nachweis, daß Tracht und Wohnungsausstattung
in so naher Verwandtschaft und Wechselwirkung zu einander
stehen, daß zum vollen verständniß des einen die Kenntniß
des andern nothwendig ist.

Die von uns ins Auge gefaßte Epoche, welche man
mit dem Namen Mittelalter bezeichnet, besteht, was die
Kunst betrifft, aus zwei Perioden, aus jener des romani-
schen und jener des gothifchen Stiles. Die Zusammen-
fassung der, diesen Stilweisen entsprechenden beiden Zeit-
abschnitte unter der gemeinsamen Bezeichnung „Mittelalter"


NS München.

Zeitschrift des bayer. Aunstgewerbe-Vereii

lSYP Yeft \ & 2 (Bg. 1).
 
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