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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1891

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Heft 9/10
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Hofmann, Albert: Das Kunstgewerbe Indiens, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7907#0063

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OT , .>mßgcwerK Indiens.

Don Albert Bofmann-Reichenberg.

an jaljrc s788 that der große Mirabeau den
Ausspruch: „Ich glaube, daß das Dolk, welches
sich beklagt, stets Recht hat; daß feine uner-
müdliche Geduld unabänderlich das äußerste
Uebermaß des Druckes erwartet, ehe es sich zum Wider-
stande entschließen kann, daß es niemals lange genug wider-
steht, um vollständige Genugthuung zu erhalten, und nicht
genügend weiß, daß es, um seine Feinde mit Furcht und
Schrecken zu erfüllen, blos stillzustehen braucht, daß die
unschuldigste, ebenso wie die unüberwindlichste Macht in
der Weigerung, etwas zu thun, liegt." Diese Worte, kurz
vor dem Ausbruch der Revolution auf das französische
Volk bezogen, können in gleicher weise auf die unglück-
lichen indischen Völkerschaften angewendct werden. Im
5. Jahrtausend v. Ehr. wandert ein indogermanischer volks-
stamm in das Stromgebiet des Indus ein und im Jahr-
hundert v. Ehr. dringen die Inder von hier aus weiter
nach Osten vor, um sich in Bengalen festzusetzen. In Jahr-
hunderte langen Rümpfen kämpften sie ihre Heldenzeit
durch, von welcher die großen Nationalepen Ramapana
und Mahäbhürata beredte Runde aus die Nachwelt über-
bracht haben. Doch die Eroberung des Landes an den Ufern
des Ganges, dessen erschlaffendes Rlima und die strotzende
Ueppigkeit der Natur, scheinen den kriegerischen Geist des
Volkes erschöpft zu haben, denn bald sehen wir es eine Zeit
lang in zurückgezogener Beschaulichkeit unter dem Einflüsse
des mächtigen h>riesterstandes feine Tage im friedlichen Er-
werbe dahinleben. Mit der stillen Beschaulichkeit vereinigt
sich jedoch bald durch zunehmenden Einfluß des priester-
thums und der Rastenherrschaft eine gewisse Indifferenz
auf dem Gebiete des öffentlichen Lebens, während auf
Religiösem Gebiete die strenge, grausame und finstere
Asketik allen Lebensmuth ertödtete. „Die Inder, abge-
stoßen vom wirklichen Leben, flüchteten sich ganz in die
U)elt der hchuntasie." Die Folgen zeigten sich bald im
Zerfalle des Reichs in eine Menge kleiner Reiche mit aus-
gesprochenen Sonderbestrebungen. Das 6. Jahrhundert
u. Ehr. sah den Buddhismus in Indien einziehen. Eine
Glanzzeit in der nachchristlichen Epoche erlebte Indien unter
der Herrschaft des Großmoguls Akbar (\556—\605), welcher
neben einer strengen, doch in orientalischem Sinne einsichts-
losen Regierung der indischen Runst besonders in Delhi
^’1C, Troßartige Unterstützung zu Theil werden ließ durch
rrichtung von mächtigen jDalästen und glänzenden Moscheen.
inV, Anfänge des f8. Jahrhunderts zerfiel das

der G E^st^u Hälfte des \6. Iahrhunders gegründete Reich
Reich Moguls wieder. Im f8. Jahrhundert wird das
^ °n perfern und Afghanen bedroht und verheert.

®ebtete der^O^^H aber für die Inder sowohl auf dem
länder werden tü*e auf dem der Runst sollten die Eng-
gegründet, wel/^00 ^urde eine englische Handelskompagnie
ostindische' Handel /^ unter der Bezeichnung „englisch-
erhielt und bald V*PaSnie'' cine ^tere Organisation
wurde. Die ?.Is poIitifd!c Regierung anerkannt

1 c dwser Rompagnie ist die Geschichte

und Bedrückung von ganz Indien durch die Engländer,
bis sich dieses unter dem General-Gouverneur Viscount
Lanning erhob und j858 der englischen Herrschaft wider-
setzte. „Das äußerste Uebermaß des Druckes war erwartet",
bis sich das Volk erhob. Aber es konnte nicht lange
genug aktiv widerstehen; bald erlangte der englische Ein-
fluß wieder die Oberhand und das Volk zog sich zu
passivem widerstand zurück. Das Volk „steht nun aller-
dings still", um „feine Feinde mit Furcht und Schrecken zu

Brunnen-Entwurf von Androuet du Lerceau.

Nach dessen Werk »Vs ^rcliirecrura», Paris ;56p

erfüllen", es zeigt auch in der „Weigerung etwas zu thun
eine unüberwindliche Macht", aber diese Macht ist nicht
zum geringsten Theile gegen das Volk selbst, gegen seine
Runst und seine gesummte Rultur gerichtet und führt all-
mälig unter dem englischen Einfluß den völligen Unter-
gang indischer Eigenart herbei.

Das indische Rulturleben folgt streng der indischen
Geschichte. Diese ist in drei scharf abgegrenzte Epochen
getheilt, deren verschiedener Lharakter wesentlich mit auf
die Runstindustrie zurückwirkte. Es sind die Epochen der
Hindu, der Mohamedaner und der Engländer. Die erste
Epoche beginnt mit dem Aufgehen der indischen Geschichte
überhaupt, dessen Zeitpunkt den verschiedenartigsten Schätz-
ungen unterliegt, in: allgemeinen aber ca. 3000 v. Ehr.
angenommen wird, und endigt mit dem Einfall der Mo-
 
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