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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1891

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Heft 7/8
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Hofmann, Albert: Zur Teppich-Ausstellung des k. k. Handelsmuseums in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.7907#0051

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welcher weiß, wie zart das Unbewußte in der Volksseele
ist, wie es dem zartesten Pflänzchen gleich init Liebe und
Sorgfalt gehegt und gepflegt werden will, wenn es Blüthcn
treiben und Früchte reifen soll. Lin solcher Prozeß voll-
zieht sich nicht wie die Wirkung eines Gewitterregens am
warmen Frühlingsabend, nach welchem cs am andern
Morgen allenthalben sprießt und blüht, sondern ein solcher
Prozeß ist die bedächtige, vorsichtige Arbeit von Generationen.
Macht es doch andererseits das unendlich weite Gebiet des
Aunstgewcrbes schon dem Wissenden unmöglich, dasselbe
im ganzen Umfange gleichzeitig zu beherrschen. Weite
Gebiete, nicht die uninteressantesten, harren noch der Be-
arbeitung und Ausarbeitung für den hohen ethischen Zweck
des Volkswohls. Der interessantesten eines, das Gebiet des
orientalischen Teppichs, des köstlichsten und göttlichsten Er-
zeugnisses der orientalischen Kunst überhaupt, ein bisher
den weitesten Fachkreisen ziemlich unbekanntes Gebiet, ist
durch das Pandelsmuseum in Wien der Aunstwelt er-
schlossen worden. Damit tritt das Pandelsmuseum in den
Ureis derer, die nach dem Wahlspruch der Sicneser Maler
berufen sind, denen, die nicht lesen können, die Aenntniß
der göttlichen Dinge zu vermitteln. Und gibt es ein gött-
licheres, köstlicheres Ding, als den orientalischen Teppich,
als die Farbeusymphonic, die bald getragen und schlicht
dahinweht, bald in lebhafte Laprice ausbricht und bald
in vollen Farbenaccorden dithyrambisch dahinrauscht? —
Was das Pandelsmuseum mit der Teppichausstellung voll-
bracht, ist eine ganze That, denn selbst dein, welchem es
vergönnt ist, Jahre lang im Griente zu reisen, wird es
nicht beschieden sein, unter so glücklichen Verhältnissen ein
vergleichendes Studium zu unternehmen, wie hier. Zn
dieser Beziehung ist die Ausstellung epochal. Aber auch
noch in anderer Beziehung. Pier werden wir, d. h. eine
größere Allgemeinheit, zum ersten Male von der Maximal-
Leistungsfähigkeit der persischen Teppichwirkerei, als der
bedeutendsten, unterrichtet. Der große, altpersische Leiden-
teppich, der im Beginne der Scffewidenzeit, im XV. und
XVI. Jahrhundert, wahrscheinlich von turkestanischen Ar-
beitern, gewirkt und von Peter dem Großen dem Kaiser
Karl VI. geschenkt wurde und seither im Besitze des
Allerhöchsten pofes ist, ist ein Farbengemälde in Seide
und Gold und Silber, welches, unsere gesammte Gobelin-
wirkcrei eingeschlossen, einzig dasteht. Es ist ein Gemälde
aus farbenrauschender Seide, dessen Fond und Bordüre
gleicherweise einen Reichthum und eine Keppigkeit der
Darstellung zeigen, wie sic nur der Grient in solcher Pracht
t'ennt. Die vorwiegende Farbe der Bordüre ist ein dunkles,
saftiges Roth, welches immer in senkrechter Richtung zur
Richtung der Bordüre ein symmetrisch ungeordnetes ge-
üseltes Gcnienpaar zeigt, welches Votivgaben spendet
em?fängt und von reichem Rankcnwerk mit Vögeln
welchö^.^ Lebendigkeit umgeben ist. Die beiden Säume,
und Rordure begleiten, zeigen Ranken mit Palmetten
Rußensa im Znnensaume als Löwenkopfe, im

mich hi^r'^ a*s RIenscheuköpfe gestaltet sind. (Zch schließe
stellung des"<Fr^ Katalog an.) Die Richtung der Dar-
dcs Teppichs bewegt sich in der Breitendimension

Das Lentrum de/* ^haft bewegte Zagddarstellung.

eine achtblättrige Ro?Ccppid?S ltlirb S-bildct durch

welche aus grünem Grund in

sternförmiger Anordnung vier Drachen- und vier Vogel-
paare umgeben. Um diesen Stern gruppirt sich auf licht-
gelbem Grund die Darstellung der Zagd, deren Typen
— Zäger zu Pferd und zu Fuß verfolgen verschiedenes
Wild vom Bären bis zum pasen — zum Theil auf das
nördliche Zndieu und auf pochasicn verweisen. Der über
die sammtartige Fläche streichenden pand zeigt sich der mit
Gold und Silber durchzogene Grund. Zn diesem edelsten
Erzeugnisse persischer Teppichwirkerei haben wir wohl eine
Maximalleistung der Teppichwirkerei überhaupt zu erblicken.
Die stattlichen Maße des Teppichs sind 6.9f m für die
Länge und 5,2 ^ m für die Breite. Dieser persische Riescn-
teppich ist das würdige Paupt der hervorragenden, glän-
zenden Abtheilung antiker Teppiche, zu welcher der Aller-
höchste pof, Fürst Schwarzenberg, Graf Enzenberg, Fürst
chohann Liechtenstein, Fürst Lobanow, Theodor Graf,
Philipp paas & Eie., Baron Nathaniel Rothschild u. s. w.,
sowie die bedeutendsten Kunstgewerbe-Museen ihre köst-
lichen Schätze geliehen. Pier tritt uns die ganze märchen-

Karadagh-Teppich im Besitz von Theodor Graf in Wien.

hafte Wunderwelt der orientalischen Ornamentik mit ihrer
glühenden Farbengebung berauschend entgegen. Pier erkennt
man die üppig fließende, leicht sich gebende Aunst des
Grientalen, der, in üppiger Landschaft sitzend, den Eindruck
der Natur mit feinstem Farben- und Formengefühl wieder-
gibt. Kein bestimmtes System, keine Regel, keine ängst-
lichen Schönheitsprinzipien leiten ihn bei der Ausübung
seiner Aunst, sondern darin liegt eben das wunderbare
der gesammten künstlerischen Produktion des Orientalen,
daß sie völlig unbewußt dem Znnern des orientalischen
perzens und Gemüthes entströmt. Der armselige Teppich-
knüpfer, der in Turkhestan in seiner traurigen pütte im
Erdloche hinter dem Stuhl sitzt, und Zahr aus Zahr ein
seine Teppiche knüpft, er hat wohl kaum einen bestimmten
Begriff von unseren heutigen Regeln der Farbenästhetik
und der Farbenphysiologie, er ist wohl kaum unterrichtet
von den „Gesetzen" des Ornaments oder hat Acnntuiß
von dem von unseren nicht künstlerisch thätigen Aunst-
gclehrten a posteriori ausgearbeiteten Koran des Orna-
ments, sondern in freier, ungezwungener Lust, unter dem
Eindruck der schönen, wunderschönen Natur, die mit ihm
bis in die innersten Fasern des perzens verwachsen ist
und die er nur deshalb so unbewußt und schön wicder-
gebcn kann, schafft er seine entzückenden Gebilde. Er thut
 
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