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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1891

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Heft 7/8
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Semper, Hans: Ueber Monumentalbrunnen und Fontainen, [2]: stilgeschichtlicher Ueberblick bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.7907#0046

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h \2 ~i-

maßgebend blieb.*) Die Fontainen dieser Art gliedern sich in
einen ausladenden Fuß, in einen schlankeren Stand und eine
wiederuni ausladende, kreisförmige Schale, über der dann noch
ein schlanker, gewöhnlich von einer Figur bekrönter Aufsatz,
die Brunnen faule, emporsteigt, aus welcher das Wasser
entweder seitwärts herausfließt oder nach oben einporfteigt.
Dieser Typus wurde in Florenz von den Bildhauern der
Frührenaissance in veredelter Form wieder zur herrschenden
Geltung für die verschiedensten Gattungen von Brunnen
und Fontainen gebracht und verbreitete sich dann von dort
aus über ganz Italien.

Brunnen im Lüner Kloster zu Lüneburg.

Die älteste Fontaine der Frührenaissance dürfte die-
jenige sein, welche Donatello für den Garten der Fa-
milie Pazzi schuf, wovon jedoch der obere Aufsatz nicht
mehr erhalten ist. Dieselbe zeigt noch etwas kräftigere
Ausladungen als die späteren; reicher plastischer Schmuck
von Sphinxen, Ranken und Amorinen in poch- und Flach-
relief bedeckt den breiten Untersatz, während der Stand
und die weitausbauchende Schale mit klassischen Zier-
gliedern reich geschmückt erscheint. — Line edle Einfach-
heit und Anspruchslosigkeit bei feinster Gliederung zeichnet
die kleine Fontaine des Verocchio int pof des Palazzi
Vecchio zu Florenz aus, welche ehemals im Niedizäer-

*) wir bezeichnen daher im Folgenden die Form von Fontainen,
deren obere Schalen, abgesehen vom untersten Bassin, aus verhältniß-
mäßig hohe und schlanke Stände, nach Art des altchristlichen
Lantharus oder des antiken xüNx (Kelch), gestellt sind, als Kelch-
oder Laut h ar us typ u s. hierfür berufen wir uns einerseits auf die
Definition des Kelches, welche G. Semper, Stil. II. Aufl. II Bd. S. 27
u. 5. ?; giebt, wonach der Kelch (xüNNeine Schale (patera, pliiale)
mit hohem und mit ihr in Lins verbundenem Fußgestell
ist, andererseits auch die Thatsache, daß der altchristliche Lantharus,
welcher für die christliche Kunst doch das nächste Vorbild für ähnliche
Zwecke war, seinen Typus eben dem antiken Kelch (Kylix) entlehnte.
Dagegen darf man beim christlichen Lantharus nicht an das griechische
Gefäß gleichen Namens denken, welches eine Art Becher ist. Der
Becher unterscheidet sich vom Kelch hauptsächlich durch die stärkere
Betonung des Lföhenverhältniffes seines Behälters, welcher sich der Form
des Trinkglases nähert, wogegen der Behälter des Kelches —
eine Trinkschale darstellt. Uebergänge kommen freilich hier, wie
bei allen Formen, vor.

palast stand.*) Line ähnliche Fontaine hatte Verocchio
für die Villa Gare§§l bei Fiesole hcrgestellt, wovon jedoch
nichts mehr erhalten ist. — Dieselbe edle Einfachheit zeigt
die Fontaine im £)of des Palazzo Gondi zu Florenz, von
Glullano da san Gallo, welche sich aus einem achtseitigen,
niedrigen Wasserbehälter erhebt und deren Aufsatz, nach dem
Vorbild römischer Aandelaber, als blattverzierter Balluster
erscheint, der eine zweite, kleinere Schale trägt, über der ein
broncener Blumenstrauß das Wasser emporsendet.

Diese einfache und edle Form erhält sich bis ins
f6. Jahrhundert hinein, wenn sie auch allmählich wieder
eine etwas kräftigere und plastisch reicher verzierte Durch-
bildung erhält, als die zwei zuvorgenaunten Fontainen sie
zeigen. Dieser Art ist die formvollendete Warmorfontaine
in Villa Castello, welche wegen der Aehnlichkcit ihrer
profilirung und des reichen Schmuckes an architektonischen
Ziergliedern mit Donatcllo's Fontaine der Villa Pazzi von
Vasari demselben Aünstler zugeschrieben wurde, obwohl sie
ein Jahrhundert jünger und wahrscheinlich ein Iugend-
werk des Bildhauers Tribolo ist, der nicht nur die herr-
lichen, terrassenförmigen Garten- und Parkanlagen dieser
Villa, sondern auch mehrere ihrer Fontainen entwarf.**)

Die kelch- oder cantharusformige Fontäne der italienischen
Frührenaissance fand im 16. Jahrhundert auch im Norden
Nachahmung, wiewohl anfangs daneben auch noch gothische
Ideen des Aufbaues sich in Renaissanceformen kleideten.
So ist in Frankreich aus der Idee der gothischen py-
ramide die kegelförmig in sechs reichverzierten Geschossen
sich aufbauende und durch ein ballustrenartiges Glied abge-
schlossene Brunnensäule mit achlseitigem Bassin entstanden,
welche im Jahre sIsO Jacques de Beaune, Gouverneur
der Touraine, in der Stadt Toury durch den berühmten
Bildhauer Wichel Lolomb und seine Neffen errichten ließ.***)
Noch genauer in der Konstruktion, wenn auch mehr in die
Breite gehend, ahmt die Fontäne von Llermont-Ferrand
(Abbildung 5. HI), welche im Jahre söso von Jacques
d'Amboise errichtet wurde, den Aufbau einer gothischen
Fontainenpyramide nach, wogegen Profile und plastischer
Schmuck die Formen der Frührcnaissance zeigen. Andererseits
prägt der (519—2{ zu Wantes errichtete Brunnen, obwohl
das untere Bassin und der Fuß der ersten Schale noch acht-
seitig sind, doch schon in schöner Weise den verdoppelten
Lantharustypus aus.y)

Aehnliches läßt sich in Deutschland und «Oesterreich
wahrnehmen. Line noch sehr naive Mischung von
gothischen und Renaissanceformen zeigt uns der Spring-

*) Auf kreisförmigem, gestuftem Unterbau erhebt fick die schlank
gestellte, kelchförmige Schale, aus welcher ein ballustrenartigcr Aufsatz
emporsteigt, der am oberen Ende vier bronccue Löwenmasken, sowie
die köstliche Figur eines Amorin, der einen Delphin hält, ebenfalls
von Bronze, trägt. Aus der Schnauze des Delphins springt ein seiner
Wasserstrahl empor.

**) Dieses Jugendwerk des Tribolo, das noch die edelsten
Formen der reifen Frührenaissance zeigt, besteht in einem Doppel-
ausbau von runden Schalen mit reich geschmückten Ständen, der sich
auf einem viereckigen, auf Kugeln in einem großen, runden Bassin
ruhenden Untersatz erhebt und oben mit der anmuthigen Statue eines
Knaben, der eine wasserspeiende Gans hält, bekrönt ist. Ueber Tribolos
Fontainen und Gartenkünste in Villa Lastello u. s. f. Siehe Vasari
u. Lansoni I. IV, besonders S. 7J ff.

***) Berty, Renaissance monumentale II.

f) Lübke, Französische Renaissance, S. 2^5.
 
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