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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1891

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Heft 7/8
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Heft 9/10
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Semper, Hans: Ueber Monumentalbrunnen und Fontainen, [3]: stilgeschichtlicher Ueberblick bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.7907#0058

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Der im Jahre *576 ausgeführte „Wittelsbacher
Brunnen" in der kgl. Residenz ist den Augsburger Fon-
tainen in der architektonischen Anlage verwandt. Auch an
ihm bestehen alle figuralen Theile aus Bronce.*)

Auch der berühmte Bildhauer des Maximiliansdenk-
males in Innsbruck, Alexander Lolin von Wechsln,
gehörte derselben, von Giovanni Bologna ausgehenden,
florentinisch- niederländischen Schule an. Gr führte eben-
falls mehrere Fontainen im Aufträge des Kaisers Maxi-
milian II. für dessen Lustgarten zu Gbersdorf bei Wien

Mittelxostament des „Wittelsbacher Brunnens" in der kgl. Residenz
zu München.

Nach Photographie gezeichnet von Max Kiendl.

aus. Bon einer derselben ist noch ein Entwurf in: Ferdi-
nandeum erhalten.**) Diese, wie eine zweite Fontaine führte

*) vom nämlichen Künstler soll endlich eine niedliche Bronce-
venus, welche ein Ljerz emxorhebt und einen wasserspeienden Delphin
unter dem andern Arm trägt, im Nationalmuseum zu München sein.

**) Derselbe zeigt wiederum, entsprechend der Aufstellung in einem
Park, wo ein architektonischer Aufbau weniger hinxaßt, die goldschmied-
artige Auffassung zweier übereinander gestellter Schalen. Die untere
größere Schale ist von Seejungfrauen getragen, deren Arme in Flossen
enden, zwischen denen männliche Masken angebracht sind. Die obere
kleinere Schale ruht auf weiblichen kjermen mit verschlungenen Armen.
Zu oberst erhebt sich eine elegante Nymphe mit einer Urne auf dein
Kopf, an welche sich zwei Putten schmiegen.

er in Tiroler Marmor in den Jahren *570—7H aus; eine
dritte, mit achtseitigem Brunnentrog, von ^57^—*585, und
noch vier andere kleinere um dieselbe Zeit und für denselben
Garten. Die Bildhauer dafür warb er in Antwerpen und
Mecheln an, ein Beweis, wie allgemein die belgischen
Künstler dieser Richtung damals huldigten.

Auch deutsche Künstler schlossen sich dieser italienisch-
flandrischen Stilrichtung an. Zn Innsbruck fertigt, ganz
in deren Geist, der hofpossirer Kaspar Gras die schöne
Fontaine für den kjofgarten, auf deren Spitze die treffliche
broncene Reiterstatue Erzherzog Leopolds stehen sollte, welche,
auf bäumendem Pferd dargestellt, eine bewundernswerthe
Berechnung des Schwerpunktes zeigt, eine Feinheit, die auf
dem plumpen Sockel, auf dem sie jetzt steht, ganz verloren
geht,») — Ein trefflicher deutscher Meister dieser Richtung
war sodann der Nürnberger Benedikt Wurzelbauer,
welcher in Nürnberg selbst *58fl neben der Lorenzkirche
eine höchst originelle Fontaine schuf, in der jener floren-
tinisch-belgische Stil in etwas spießbürgerlich-altfränkischer
Verarbeitung zu Tage tritt.**) Eine ähnlich gedachte Fon-
taine desselben Künstlers mit Venus und Amoren, *5fl0
in Prag ausgeführt, gieng gleichfalls durch hussitischen Eifer
zu Grunde. Eine weitere Fontaine in Form eines Tafel-
aufsatzes, mit Herkules als oberster Zierde, führte er in Prag
für den Park des Fürsten waldstein im Jahre *650 aus.

Im Gegensatz zu diesem italienisch-belgischen Fontainen-
stil, welcher im *6. und beginnenden *7. Jahrhundert in
Deutschland durch niederländische Künstler verbreitet und von
Deutschen nachgeahmt wurde, hat der geistreiche, aber ver-
schrobene Maler und Architekt Wendel Dietterlein von
Straßburg in seinein Werke Architectura ferste Ausgabe
*59*) jene ächt-deutsche, naturalistische Romantik und Phan-
tastik, der wir, um nur vom Zeitalter der Renaissance zu
sprechen, schon bei Dürer***) begegnen, bis zu den tollsten
Auswüchsen und geschmacklosesten Scherzen getrieben, denen
er zugleich, gewisserniaßen als Grundlage und Rechtfertig-
ung, Motive der antiken Ordnungen, sowie allerlei trocknes,
geometrisches Schnörkelwerk beimischte.

*) Unter der Statue trugen vier Bronceknaben eine große Schale,
ebenfalls von Bronce, welche leider eingeschmolzen wurde; am Fuße
der Brunnensäule befanden sich wahrscheinlich zwei auf Delphinen
reitende Satiren, auf dem Rande des Troges vier Götter. Auch alle
diese Figuren sind noch erhalten, vertrauern jedoch ihr Dasein in einer
Rumpelkammer des Schlosses Ambras. Möchte das hohe Vbersthof-
meisteramt und die Vertretung der Innsbrucker Bürgerschaft den Ent-
schluß fassen, diese Fontaine wieder Herstellen zu lassen, so würde die
Stadt eine der herrlichsten monumentalen Zierden gewinnen! Der
Bildhauer Pros. Fuß und der Architekt Ioh. Deininger in Innsbruck
haben ein im Ganzen gelungenes Modell angefertigt, welches sich treff-
lich als Grundlage für eine Reconstruction dieser Fontaine verwerthen
ließe. Aber schwerlich wird es dazu kommen, sintemal die frommen
Herren Sittenwächter sich an den heidnischen Nuditäten stoßen, die
nicht einmal complet sind.

**) Heber dem steinernen Trog erhebt sich ein cylindrischer Auf-
bau, von je sechs wappenhaltenden und blasenden Knaben, sowie eben-
soviel Allegorien umgeben, deren Brüste Wasser spenden, während oben
die Gerechtigkeit mit der Waage und einem Kranich, als Sinnbild der
Wachsamkeit, steht.

**♦) Im Gebetbuch Maximilians, in seiner „Unterweisung der
Messung ic.“ v. {525, und an anderen Vrten. Siehe A. v. Zahn:
Dürers Kunstlehre und sein verhältniß zur Renaissance ;SSS. Thau-
sing, Dürer I, t87S. 5. 500 f. Lübke, Deutsche Renaissance. Stutt-
gart {882, I. S. ;-zs f. Besonders Dürers Entwürfe zu Grabmälern
und eine Siegestrophäe über die Bauern sind eines Dietterlein würdig.
 
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