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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1891

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Heft 11/12
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Semper, Hans: Ueber Monumentalbrunnen und Fontainen, [4]: stilgeschichtlicher Ueberblick bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.7907#0070

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gestifteten Brunnen mit einem wasserspeiendem Löwenkopf
zwischen zwei Pilastern; über der Verdachung ist das Papst-
wappen. Ferner den reizenden Brunnen am Palaste patrizi,
Sitz des apostolischen Vikariats, wahrscheinlich von Bernini,
ebenfalls unter Paul V. errichtet, wie der Greif andeutet.
(Liehe Abbildung Leite 67.) Nicht minder anmuthig ist
die Wandfontaine an der Ecke des Borgo, (am Palazzo
Merode) von dem wir gleichfalls hier eine Abbildung geben.
Die rundlichen Formen dieser Lecwesen gewinnen an Weich-
heit und Leben durch den porösen, verwitterten, gebräunten
und bemoosten Travertin, aus dem sie bestehen und bilden
einen frischen Kontrast zu der architektonischen Umrahmung.

Der streng architektonischen Behandlung der Waud-
fontainen macht aber in Rom, von Paul V. Zeit an, eine
mehr naturalistische den Rang streitig, indem sich als
besonders malerisches Motiv der Natur die Tropfstein -
grotten, wie man sie bei Tivoli genugsam bewundern
kann, als Vorbilder aufdrängten. Anfangs suchte nian
dieselben noch in ein architektonisches Maß zu bringen, all-

Brunnen vom Pal Merode in Rom.

Nach Photographie gezeichnet von M. lv i nterstein.

rnählig aber verfällt diese Gattung von Waudfontaineu
einem vollständigen Naturalismus.

Unter den Grottenfontainen, welche bei allein Natura-
lismus doch noch architektonisch geordnet und zum Theil
sehr anziehend in der Wirkung sind, nennen wir die hübsche
Brunnennische vom Palast Maebiavelli, wo inmitten von
Tropfsteinfelsen ein nackter Knabe aus einer Urne Wasser
gießt; ferner die triuniphbogenartige Fontaine am Palazzo
Mazzei, den reizenden Wandbrunnen am Palazzo 5. Croce
(von (604). Ganz naturalistisch sind dagegen die Wand-
sontaine ain Belvederegarten, einen Berg darstellend, aus
dem in zahlreichen Bächen Wasser in ein Bassin mit einem
untergehenden Lchiff fließt; ferner die Felsengrottenfontainen
in den Palästen Maddalena und Cornaro, sowie eine zweite
Wandfontaine im Belvederegarten, welche einen mit Bäumen
besetzten Berg darstcllt und durch drei wasserspeiende Brunnen
als unter Urban VIII. ((623 — 44) entstanden bezeichnet ist.

Die architektonische Richtung, in Verbindung mit der
naturalistischen, macht sich endlich besonders auch an den
umfangreichen Wasserkünsten und Tascaden in Rom geltend,
so in der Villa Aldobraudini zu Frascati, wo drei halb-
runde, architektonisch reich gegliederte umfangreiche Nischen

terassenförmig übereinander stehen und durch Tascaden ver-
bunden sind. (Abbildung S. 68.) 5o ferner in der Villa
Negroni, Altemps, Tonti zu Frascati, Palazzo Colonna
u. s. f. Tine Häufung aller malerischen, plastischen und
architektonischen Motive der römischen Fontainenkunst zeigt
endlich die großartige Fontana Trevi, welche unter Cle-
mens XII. im Jahre (755 von Niccolo Lalvi entworfen
wurde, während die zahlreichen marmornen Tolossalfiguren,
die sie beleben, von verschiedenen Bildhauern stammen. Die
Wirkung, wie vor der großartigen palastfagade mit durch-
gehenden Riesenhalbsäulen und Pilastern in der prächtigen
Mnschelnische Neptun seinen von vier Seepferden ge-
zogenen Muschelwagen lenkt, indeß ganze Ströme von
Wasser nach allen Seiten hin ihren Weg über abschüssige
Felsen suchen, ist geradezu überwältigend.

Nicht unbemerkt darf schließlich bleiben, daß sowohl
die kleineren wie die großen Fontainen Roms durchwegs
aus Stein, — Marmor und Tuff — gebildet sind, — im
Gegensatz zu den Fontainen der florentinisch-belgischcn Schule
des Gianbologna, in welcher die Figuren in den meisten
Fällen in Bronce gegossen sind. Ts ist unzweifelhaft, daß
viele römische Fontainen ihre malerische Farbenpracht den in
Folge der Verwitterung in's Braune und Goldue spielenden
Tönen des sehr häusig verwendeten Tuffsteines, sowie dem
Pflanzenüberzug, der sich in dessen Poren ansetzt, verdanken.

Die mehr plastisch-naturalistische Bernini'sche Richtung
mit den schönen Tritonen, Delphinen und Seepferden aus
Stein, fand auch außerhalb Roms viel Anklang und Nach-
ahmung in Italien sowohl wie im Norden. — hübsche
Fontainen dieser Art von bescheidenerem Umfange haben
wir z. B. in Civita Lavinia, dem alten Lanuvium bei
Rom, sowie in Ancona gesehen; beide dürften von Bernini
selbst sein, jedenfalls crstere. In ihnen ist das an einen
Tafelaufsatz erinnernde Schalensystem verwendet; zu unterst
sieht man um einen Felsen herum prächtige Seepferde, so-
wie Delphine gruppirt.

Derselben Schule gehören auch die schönen Fontainen
in Trient und in Salzburg an, beide ebenfalls durchaus
aus Stein gebildet, tafelaufsatzförmig aufgebaut und mit
jenen kräftig bewegten, derb plastischen Seeungethümen be-
lebt, wie sie Bernini liebte. Die Salzburger Fontaine ist
von dem Italiener Antonio Dario ((664 bis (680) aus-
geführt worden. Trst im (8. Jahrhundert entstand jedoch
die schönste Fontaine der österreichischen Monarchie, welche
Raphael Donner im Jahre (73( auf dem Neumarkt
in Wien errichtete. Obwohl er anfangs der Bernini'schen
Richtung huldigte, ist er doch zu edleren Formen zurück-
gekehrt, welche es mit den besten Schöpfungen der florentiui-
schen Spätrenaissauce aufnehmen, an welche auch die ganze
Anlage seiner Fontaine am meisten erinnert.*) Ganz im
Bernini'schen Geist ist dagegen wieder die in echtem, lebendigem

*) Heber dem achteckigen weiten Becken, auf ivelcheni vier prächtige
Flußgötter Desterreichs lagern, erhebt sich ein eleganter Mittelbau, auf
dessen vorspringenden Voluten vier aumuthige Kinder mit Delphinen
scherzen und dieselben Wasser nach allen Richtungen speien lassen,
während oben die anmuthige Figur der Vorsehung lagert, welche als
Wasserspeuderin einen wirklichen Bezug auf die Fontaine hat. Ueber
die eigeuthümliche weibliche jdersonistzirung des Begriffes Vorsehung
darf man freilich nicht rechten, da die Allegorie ein unentbehrlicher
Factor der Fontainenkunst ist. Die Figuren sind mit großer Sorgfalt
modcllirt und leider nur in Blei gegossen. S. die Abbildung auf S. ss.
 
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