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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1891

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Heft 11/12
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Semper, Hans: Ueber Monumentalbrunnen und Fontainen, [4]: stilgeschichtlicher Ueberblick bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.7907#0075

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artigen Aufbau derselben als den angemessenen empfehlen
können, wie dieß z. B. in Bezug auf die Augsburger Fon-
taincn gilt.

<£s bleibt nur noch übrig, einiges über die plastischen
Dekorationsmotive der Fontainen zu erwähnen, welche als
die geeignetsten figürlichen Symbole derselben erscheinen.

In der Fontaine mehr als irgendwo lebt mit Recht
die antike Götter-, Fabel- und Thierwclt noch heutigen
Tages fort und hat in ihr ein Asyl gefunden, aus welchem
sie nicht sobald vertrieben werden dürfte. Allerdings sind
es in erster Linie nur die mythischen Wesen, welche in
irgend einer Beziehung zum Wasser stehen, aber auch andere
antike Götter gesellen sich ihnen gern, ohne zu stören oder
aufzufallen; im antiken Glymp bildeten eben alle Gottheiten
Mitglieder einer Familie. Daß die menschlich gebildeten
Fontainenfiguren vorwiegend nackt sind und sein müssen,
erklärt sich vor Allem daraus, daß, wenn es nicht eine
besondere Volkssitte verlangt, wie der Münchner Metzger-
sprung, niemand ohne Noth gern in Aleidern badet.
Unter den Fabelwesen der Antike sind es besonders die
Tritonen, Nereiden, Sirenen, Seeweibchen, Seepferde, welche
wohl neben den Vertretern der wirklichen Seethierwelt, den
Delphinen, Fischen, Muscheln, Wasservögeln ein dauerndes
Inventar der Fontainenkunst bilden werden, da sie sich be-
sonders durch ihre schwungvollen Formen für dieselbe eignen.
Auch Seehunde und Schildkröten, sowie Frösche wurden,
letztere besonders von der französischen Fontainenkunst, häufig
verwendet und können an richtiger Stelle ebenfalls wirken,
wenn ihre Form auch weniger edel ist. Pflanzen werden
in der Fontainenkunst meistens in voller Realität, so be-
sonders bei Grottenfontainen verwendet, da ihre plastische
Darstellung leicht trocken erscheint. Doch wird der stilisirte,
vorn römischen Tandelaber entlehnte, aus Blattkränzen und
Akanthus zusammengesetzte Stamm, sowie die stilisirte
Blumcnknospe oder der Strauß häufig vortheilhaft verwendet.

wenn wir uns fragen, welche Zeit und welches Volk
anr reichsten an glücklichen und schönen Lösungen in der
Fontainenkunst sei, so dürfen wir ohne Zaudern dem \6.
und \7. Jahrhundert, sowie der italienischen Nation den
Vorrang einräumen, zumal die antike Fontainenkunst uns

nicht mehr so genau bekannt ist. Die italienische Renaissance
und das italienische Barock dürfen sich aber das Verdienst
zuschreiben, nicht nur die synrbolische und decorative Be-
deutung der antiken Götter- und Fabelwelt, sowie einer
sich daran anschließenden freien Allegorisirung von Ideen
und Begriffen, für die lebendigere Ausgestaltung der Fon-
tainen erkannt, sondern auch dem architektonischen Aufbau
der Fontaine jene flotte, malerische Physiognomie verliehen
zu haben, welche der unruhigen, lebendigen Araft des
Wassers entspricht. Deßhalb war auch der Naturalismus,
besonders das Ginbeziehen von Fels- und Grottenmotivcn durch
die Italiener keineswegs verfehlt und stilwidrig, wenigstens
in all den Fällen nicht, wo der Künstler die rohe Materie
nicht überwuchern ließ, sondern in eine architektonisch-pla-
stische Symphonie einzuordnen mußte, in welcher die
steinernen Naturnrotive nur eine glückliche Vermittelung
zwischen denr lebendigen Naturkind, denr Wasser, und den
Kunstgebilden aus Stein, darstellen.

Die italienische Renaissance- und Barockfontaine be-
herrscht demzufolge auch die ganze Folgezeit in allen
Ländern Europas und wird auch noch inmrer die günstig-
sten Anregungen und Vorbilder für Neuschöpfungen liefern.
Das wildeste Barock ist in der Fontaine noch immer einer lang-
weiligen, schulmäßigen Trockenheit und phantasielosigkeit vor-
zuziehen, wie sie leider manchen nrodernen Fontainen anhaftet.

Alles in Allein ist die Fontaine im Prinzip eine der
idealsten Aufgaben dekorativer Plastik, da ihre künstlerische
Durchbildung weit über das wirkliche Bedürfniß, welchem
sie allenfalls zugleich dient, hinausgehen kann, ohne daß
irgend ein feinfühlender oder nur verständiger Mensch sagen
wird, es sei ein Unsinn, einen solchen Aufwand an künst-
lerischer Pracht für den Dienst, den sie verrichtet, aufge-
boten zu haben, da der einfachste Dorfbrunnen denselben
ebenso leiste. Die Fontaine ist das Monument, welches wir
einer unserer wohlthätigsten Naturkräfte errichten und je
stattlicher die Fontaine sich aufbaut, je reichlichere Wasser-
strahlen sie ergießt, desto mehr fühlt sich unsere Seele an
ihrem Anblick erquickt und belebt und um so inniger
verehren wir bei dem melodischen plätschern der Fluth eine
der herrlichsten Wundergaben der Gotteswelt.

Indische lsookah. Gesäße

Bronze, mit tief eingeschnittenem (Ornament. Nr, \ und 2 aus Nurpur, Nr. 2 aus Rangra. höhe hä-tS-m. lltndia-Abtheilung

des South-Kens.-ITlnfeums.)
 
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