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Rrückenstock des Maharaja Alan Singh in Ieypore aus dem
j 6. Jahrhundert. Der Stab ist aus 33 cylindrischen Theilen zu-
sammengesetzt, von welchen jeder mit Figuren, Landschaften,
Thieren und Blumen in Email beinalt ist. Die Farben wer-
den als von einer seltenen Leuchtkraft und Reinheit geschildert.
Der Eharakter des Emails ist vorwiegend der des
Email clmmpleve, des Grubenschmelzes, die Farben sind
metallische Oxyde und besitzen eine reiche Abstufung. Don
Halsschmuck.
Skizze des Ganzen, sowie Details der Retten-
glieder, des Anhängers (rechts die Rückseite),
des Rettenschlusfes (links vorder-, rechts
Rückseite) in wirklicher Größe. Jede der vier perlschnüre
beginnt am Aufhänger mit einem Smaragden; ein solcher
kehrt auch kurz vor dem mit einem Rubin gebildeten Ende
der Perlschnur (am Schlußglied) wieder. Die nur in der
Größe und der Zabl der Seitenblätlchen verschiedenen An-
hänger besitzen in der Mitte je einen! Diamanten; außen
wechseln (oben mit einem Rubin beginnend) Smaragden
und Rubinen regelmäßig ab, und unten ist stets ein Rubin
aufgehängt. Auch in den kleinern Anhängseln wechseln
Rubinen und Sniaragden regelmäßig ab, während die
darangehängten perlen stets durch kleine Smaragde be-
festigt sind. Die Schließe ist auf der Vorderseite mit den
gleichen Steinen besetzt, auf der Rückseite cmaillirt: Grund
rotb. Blumen weiß, Blätter hellgrün. Die Rückseite des
Anhängers ist auf weißem Grund in Roth
und Grün emaillirt. Die aus Goldfäden ge-
bildete Bindeschnur besitzt an den Anfangs-
und Gndknoten Ginspinnungen von grüner
und rother Seide, und die rhonlbischen
Vuastendecken bestehen aus perlen mit Ru-
binen in der Mitte und Smaragden an den
Rändern. Aus Bengal. (India-Abtheilung
des 5>onrb-Ken8.-Museums.)
großer Brillanz ist das Roth, welches in Ieypore verwendet
wird. Neben den: Grubenschmelz wird auch der Zellen-
schmelz geübt. Im Ganzen ist die indische Emailkunst
eine hochentwickelte und steht in Bezug aus Vollendung mit
der Weberei und der Metalltechnik auf einer Stufe, wenn
nicht höher, von fremden Einflüssen ist die Runst des
Emaillirens zieinlich verschont geblieben; besseres konnte
die Fremde nicht importiren, sie konnte vom Indier nur
lernen und hat auch thatsächlich sehr viel von ihm ge-
lernt und ihn oft nachgeahmt.
Das trifft auch in anderer Beziehung zu. In zahl-
reichen Fällen wurde die hochentwickelte Lultur Indiens,
die schließlich doch der Ausgangspunkt unserer mehrtausend-
jährigen abendländischen Lultur ist, wirklich benützt. And
diese reiche Eultur ist im Absterben begriffen.
Man hat nicht mit Unrecht von der Eultur Indiens
als von einer fossilen, passiven gesprochen, zu welcher das
thätige, schöpferische Element der europäischen Eultur in
scharfem Gegensätze steht. Der Gesammtzug der indischen
Eultur ist ein bis zum Aeußersten conservativer. Es ist
allgeinein bekannt, daß Bachofen als Grundlage für alle
unsere gegenwärtigen rechtlichen Verhältnisse nicht den gegen-
wärtigen Zustand, wo das vaterrecht geltend ist, erblickt,
sondern einen Zustand, wo das Mutterrecht geltend war, wo
das Ligenthum nicht durch väterliche, sondern durch mütter-
liche Linie vererbt wurde. In Indien gibt es noch jetzt
kriegerische Völkerschaften, besonders an der Malabarküste,
bei welchen sich das Familienleben nicht in Formen bewegt,
welche den europäischen ähnlich sind. Der Bruder lebt
mit der Schwester und die Rinder der Schwester werden
als feine Rinder angesehen und erben sein vermögen. Es
ist dort eine ganz andere soziale Verfassung, eine Verfassung,
welche vor mehr als lausend Jahren die arischen Stämme
in Europa gehabt haben, die aber jetzt völlig verschwunden
ist. U)ir haben im nördlichen Tibet einen späteren sozialen
Zustand: die polyandrische Familie, ebenso aber unter ein-
zelnen Stämmen die Polygamie und auch die Monogamie.
Wir haben Völkerschaften, die sich noch im communistischen
Zustande befinden, Völker, bei denen ganze Gerneinden ge-
meinschaftliches Eigenthurn haben, alle Dienste durch Antheil
an gemeinschaftlichem Eigenthum bezahlt werden. Es sind
dies ländliche Gemeinden, welche alle möglichen Handwerker:
Schmiede, Goldarbeiter, Töpfer u. s. w. besitzen, die für
ihre Arbeit nicht bezahlt werden, sondern nur einen gewissen
Antheil am Gemeindeeigenthum haben. In Ratschputana
haben wir den feudalen Zustand des Mittelalters noch
lebhaft erhalten im Gegensätze zu den bereits von England
beherrschten Provinzen, in welchen die moderne Zivilisation
unter Mitwirkung der Eingeborenen in höchster Blüthe
steht. Wen» wir also mit Indien näher bekannt werden,
so ist es nicht allein die Bekanntschaft der Gegenwart, die
wir machen, sondern auch in zahlreichen Fällen die Bekannt-
schaft einer oft weitabliegender Vergangenheit, deren Ge-
bräuche aber in äußerster Lonservation bis auf unsere Tage
übergeleitet wurden. Dieser bis zum Aeußersten gehende
Zug der Bevölkerung brachte es auch dahin, daß die
Existenz des indischen Volkes mehrfachen Angriffen anderer,
mit der Zeit fortschreitender Völker zürn Gpfer fiel.
Der indische Intellect kennt nur die Vertiefung in das
eigene Ich, jeden fortschrittlichen Zug hält er sich ängstlich
fern; selbst die großartige Natur konnte den intelligenten
Inder nicht dazu veranlassen, in das innerste Geheimniß
ihres Waltens einzudringen und hier die Wahrheit zu
finden, die Brahnm, der oberste indische Gott, nachdem er
jahrelang das ganze Weltall durchforscht hatte, erst in der
Tiefe seines eigenen Ich zu finden glaubte. Die ganze
indische Literatur führt zu dein Schluffe, daß die Inder
ein Volk bilden, welches sich beinahe vollständig, aber mit
höchster Bedürfnißlosigkeit der Erforschung der eigenen
Psychologie hingibt und das ganze übrige Dasein einem
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Rrückenstock des Maharaja Alan Singh in Ieypore aus dem
j 6. Jahrhundert. Der Stab ist aus 33 cylindrischen Theilen zu-
sammengesetzt, von welchen jeder mit Figuren, Landschaften,
Thieren und Blumen in Email beinalt ist. Die Farben wer-
den als von einer seltenen Leuchtkraft und Reinheit geschildert.
Der Eharakter des Emails ist vorwiegend der des
Email clmmpleve, des Grubenschmelzes, die Farben sind
metallische Oxyde und besitzen eine reiche Abstufung. Don
Halsschmuck.
Skizze des Ganzen, sowie Details der Retten-
glieder, des Anhängers (rechts die Rückseite),
des Rettenschlusfes (links vorder-, rechts
Rückseite) in wirklicher Größe. Jede der vier perlschnüre
beginnt am Aufhänger mit einem Smaragden; ein solcher
kehrt auch kurz vor dem mit einem Rubin gebildeten Ende
der Perlschnur (am Schlußglied) wieder. Die nur in der
Größe und der Zabl der Seitenblätlchen verschiedenen An-
hänger besitzen in der Mitte je einen! Diamanten; außen
wechseln (oben mit einem Rubin beginnend) Smaragden
und Rubinen regelmäßig ab, und unten ist stets ein Rubin
aufgehängt. Auch in den kleinern Anhängseln wechseln
Rubinen und Sniaragden regelmäßig ab, während die
darangehängten perlen stets durch kleine Smaragde be-
festigt sind. Die Schließe ist auf der Vorderseite mit den
gleichen Steinen besetzt, auf der Rückseite cmaillirt: Grund
rotb. Blumen weiß, Blätter hellgrün. Die Rückseite des
Anhängers ist auf weißem Grund in Roth
und Grün emaillirt. Die aus Goldfäden ge-
bildete Bindeschnur besitzt an den Anfangs-
und Gndknoten Ginspinnungen von grüner
und rother Seide, und die rhonlbischen
Vuastendecken bestehen aus perlen mit Ru-
binen in der Mitte und Smaragden an den
Rändern. Aus Bengal. (India-Abtheilung
des 5>onrb-Ken8.-Museums.)
großer Brillanz ist das Roth, welches in Ieypore verwendet
wird. Neben den: Grubenschmelz wird auch der Zellen-
schmelz geübt. Im Ganzen ist die indische Emailkunst
eine hochentwickelte und steht in Bezug aus Vollendung mit
der Weberei und der Metalltechnik auf einer Stufe, wenn
nicht höher, von fremden Einflüssen ist die Runst des
Emaillirens zieinlich verschont geblieben; besseres konnte
die Fremde nicht importiren, sie konnte vom Indier nur
lernen und hat auch thatsächlich sehr viel von ihm ge-
lernt und ihn oft nachgeahmt.
Das trifft auch in anderer Beziehung zu. In zahl-
reichen Fällen wurde die hochentwickelte Lultur Indiens,
die schließlich doch der Ausgangspunkt unserer mehrtausend-
jährigen abendländischen Lultur ist, wirklich benützt. And
diese reiche Eultur ist im Absterben begriffen.
Man hat nicht mit Unrecht von der Eultur Indiens
als von einer fossilen, passiven gesprochen, zu welcher das
thätige, schöpferische Element der europäischen Eultur in
scharfem Gegensätze steht. Der Gesammtzug der indischen
Eultur ist ein bis zum Aeußersten conservativer. Es ist
allgeinein bekannt, daß Bachofen als Grundlage für alle
unsere gegenwärtigen rechtlichen Verhältnisse nicht den gegen-
wärtigen Zustand, wo das vaterrecht geltend ist, erblickt,
sondern einen Zustand, wo das Mutterrecht geltend war, wo
das Ligenthum nicht durch väterliche, sondern durch mütter-
liche Linie vererbt wurde. In Indien gibt es noch jetzt
kriegerische Völkerschaften, besonders an der Malabarküste,
bei welchen sich das Familienleben nicht in Formen bewegt,
welche den europäischen ähnlich sind. Der Bruder lebt
mit der Schwester und die Rinder der Schwester werden
als feine Rinder angesehen und erben sein vermögen. Es
ist dort eine ganz andere soziale Verfassung, eine Verfassung,
welche vor mehr als lausend Jahren die arischen Stämme
in Europa gehabt haben, die aber jetzt völlig verschwunden
ist. U)ir haben im nördlichen Tibet einen späteren sozialen
Zustand: die polyandrische Familie, ebenso aber unter ein-
zelnen Stämmen die Polygamie und auch die Monogamie.
Wir haben Völkerschaften, die sich noch im communistischen
Zustande befinden, Völker, bei denen ganze Gerneinden ge-
meinschaftliches Eigenthurn haben, alle Dienste durch Antheil
an gemeinschaftlichem Eigenthum bezahlt werden. Es sind
dies ländliche Gemeinden, welche alle möglichen Handwerker:
Schmiede, Goldarbeiter, Töpfer u. s. w. besitzen, die für
ihre Arbeit nicht bezahlt werden, sondern nur einen gewissen
Antheil am Gemeindeeigenthum haben. In Ratschputana
haben wir den feudalen Zustand des Mittelalters noch
lebhaft erhalten im Gegensätze zu den bereits von England
beherrschten Provinzen, in welchen die moderne Zivilisation
unter Mitwirkung der Eingeborenen in höchster Blüthe
steht. Wen» wir also mit Indien näher bekannt werden,
so ist es nicht allein die Bekanntschaft der Gegenwart, die
wir machen, sondern auch in zahlreichen Fällen die Bekannt-
schaft einer oft weitabliegender Vergangenheit, deren Ge-
bräuche aber in äußerster Lonservation bis auf unsere Tage
übergeleitet wurden. Dieser bis zum Aeußersten gehende
Zug der Bevölkerung brachte es auch dahin, daß die
Existenz des indischen Volkes mehrfachen Angriffen anderer,
mit der Zeit fortschreitender Völker zürn Gpfer fiel.
Der indische Intellect kennt nur die Vertiefung in das
eigene Ich, jeden fortschrittlichen Zug hält er sich ängstlich
fern; selbst die großartige Natur konnte den intelligenten
Inder nicht dazu veranlassen, in das innerste Geheimniß
ihres Waltens einzudringen und hier die Wahrheit zu
finden, die Brahnm, der oberste indische Gott, nachdem er
jahrelang das ganze Weltall durchforscht hatte, erst in der
Tiefe seines eigenen Ich zu finden glaubte. Die ganze
indische Literatur führt zu dein Schluffe, daß die Inder
ein Volk bilden, welches sich beinahe vollständig, aber mit
höchster Bedürfnißlosigkeit der Erforschung der eigenen
Psychologie hingibt und das ganze übrige Dasein einem
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