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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1891

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Heft 11/12
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Hofmann, Albert: Das Kunstgewerbe Indiens, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7907#0086

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allen Mitteln seinen Einfluß geltend zu machen versucht,
auf der anderen Leite die todtenähnliche Beharrlichkeit,
welche den gegnerischen Bestrebungen den inächtigsten Vor-
schub leistet, dafür aber die eigenartige heimische Eultur
und Aunst völlig in der Fremde aufgehen läßt. Nicht
ohne das Gefühl schnrerzlicher Wehnruth muß constatirt
werden, daß die ehemals so blühende und reich ausstrahlende
indische Aultur und Aunst schon längst den Eulminations-

Goldenes Armband.

Emaillirte Rückseite. Die schwarzen Flächen sind grün, die grauen roth, das übrige
weiß, die Vesen für die Schnüre hellblau emaillirt. Die Vorderseite ist völlig mit
Diamanten besetzt. — Aus Bengal.

2. Goldenes Amulet.

Der Grund (sowie die in demselben befindlichen Blättchen) aus dunkelgrünem, durch-
sichtigem Email; das Schuppenornament hellblau emaillirt, Eck- und Mittelparthien
grün. In der Mitte ein großer und acht kleine Rubinen; außen — unregelmäßig
vertheilt: verschiedene Edelsteine. Die Bügel sind mit je drei kleinen Smaragden,
zwei Türkisen und einem großen Diamanten besetzt. — Aus Delhi.

Beide Stücke etwas verkleinert. (India-Abtheilung des 8ourü-Xens.-Museu,ns.)

Punkt überschritten hat. Die Zeiten des Fortschrittes
gingen über in die Zeiten der fremden Einflüsse, welche
Zeiten der Stagnation, ja Zeiten des Rückschrittes herbei-
führten. <Ls ist der bereits offiziell eingestandene Rückschritt,
der das heutige Indien, ich meine das wahre Indien,
nicht das englische Indien, betroffen hat. Statistische Aus-
weise und künstlerische j)roducte geben davon gleich beredte
Zeugnisse. Gegen die Lethargie der allgemeinen, original-
indischen Lulturverhältnisse Helsen auch nicht die weckenden
Rufe eingeborener Functionäre. Die altindische Eultur ist
bereits fossil.

Die fossilen Zustände, das dumpfe Beharren in längst
überlebten, althergebrachten Formen, werden mit seltenem
Freimuth von dem Dewan oder Ministerpräsidenten von
Maissur, Ranga Tscharlu in einer am 26. Oktober s882
an den Landtag gerichteten Eröffnungsrede dargelegt:
„Ich bedauere, daß die Industrie in unserem Lande noch
wenig Fortschritte gemacht hat. Die Aussichten auf die
Anbohrung bauwürdiger Goldlager sind noch gering; der
Anlage von Baumwollspinnereien steht hindernd der geringe

Anbau von Baumwolle im Staate entgegen. —-

Regierung oder einzelne Fremde können nur wenig dazu
beitragen, die Bevölkerung zu lohnender Beschäftigung aus-
zustacheln; noch ist in Indien der Staatsmann nicht er-

standen, der seine Landsleute von der bleiernen Schwere
des Amtsgeistes entlastet und sie dazu bringt, aus eigenem
Antriebe auf Fortschritte auf den: Gebiete der Gewerbe
und Industrien zu sinnen. Wenn die ganze Welt um
uns herum ganz außerordentliche Umwälzungen zeigt, so
dürfen die 260 Millionen Indier in ihrem Schlafe nicht
länger verharren; sie haben Unrecht, an den veralteten
Ueberlieserungen ihrer Vorfahren vor 2—5000 Jahren
zu hängen und ein kaum menschenwürdiges Dasein zu
fristen, dessen sie bei jeder Mißernte unter bejammerns-
werthen Erscheinungen vor der Zeit verlustig gehen. —
— — Der Erfolg Englands ist nicht die Folge einzig
dastehender Erfindungen einzelner von dem höchsten Wesen
begnadeter Menschen, sondern das Ergebniß der unaus-
gesetzten Bemühungen zahlreicher Männer aus dein Ge-
werbestande, der Gelehrten und der Aaufmannsgilde, die
in ihren verschiedenen Beschäftigungen ihren Verstand
und ihren eisernen Fleiß an die Nutzbarmachung weniger
kjaupterfindungen setzten. Dieses Zusammenwirken einer
ganzen Nation bewirkte den nahezu märchenhaften Reich-
thum und den allseitigen Wohlstand, der Großbritannien
vor unseren: Vaterlande auszeichnet." Doch das Land, in
welchem Alles seit Jahrtausenden gleichsam in feste For-
men gebannt erscheint, es beginnt sich neu zu regen und
ist nicht unmöglich, daß dieses erneute Leben auch in
Europa einen größeren Einfluß haben wird. Welcher
Art dieser Einfluß etwa sein könnte, kann man aus einigen
Worten des großen englischen Gelehrten Tyndall entnehmen.
In einer Eonversation mit
einen: indischen Missionär
des Brahma-Somadsch sagt
Tyndall zu diesem: „Nach
vielen Jahren der Arbeit
bei dem kalten Lichte des
Verstandes vermissen wir
hier in England die Gluth
und Energie des Göttlichen;
dieses höhere, übersinnliche
Leben ist bei uns beinahe
erloschen. Indem ich diese
Thatsache constatirte und die
galvanisirten Zuckungen
eines erlöschenden religiösen
Enthusiasmus nicht als den
nie versiegenden Urquell
göttlichen Lebens anerken-
nen wollte, habe ich mir

viele Feindschaft zugezogen. Mögen Diejenigen, die dieses
höheren Lebens theilhaftig sind, namentlich die Bevölkerung
Asiens es uns mittheilen. Zu Euch im Osten blicken wir
n:it wahrer Hoffnung empor. Von dort kam schon ein-
mal die Anregung zu neuem Leben; vielleicht kommt sie
wieder von dort, woher sie schon einmal gekommen ist."*)

*) Die auf den Seiten 75, 76, ao, 8:, 82 befindlichen Abbildungen
zu diesem Aufsatz sind von £. Gmelin nach eigenen Aufnahmen
gezeichnet.

Anhänger aus Jade.

Mir Gold und Edelsteinen (Diamanten,
Rubinen und Smaragden) verziert, wirk-
liche Größe. Aus Lahore. (gndia-Abth-ilung
des 8ourli-Uens.-Museums.)
 
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