Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Burckhardt, Jacob; Dürr, Emil [Hrsg.]
Vorträge 1844 - 1887 — Basel, 1918

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30685#0046
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
GEDACHTNISREDE AUF SCHILLER

9. NOVEMBER 1859.

m Vorabend des Schillerfestes richtet die philosophische Fa?
kultät unserer Universität durch mich ihren Gruß an Sie und
heißt Sie hier festlich willkommen.

^ Gehören doch die Abendstunden dieser Tage überall

Seinem großen Andenken, und wo irgend Deutsche beisammen sind,
werden sie jetzt Seinen Namen feiern, und ein Häuflein Schweizer wird
sich beigesellen, zu Melbourne in Australien wie zu Valparaiso am
Stillen Ozean. Freilich, was bei uns Abend heißt, mag dort noch oder
schon Morgen sein; auf den Schwingen der erdumwandelnden Abend#
stunden nach dem wechselnden Meridian zieht die Feier um die Welt.

Denn Sein Name ist unsterblich.

Hat Schiller diesen Ruhm ersehnt? Die Antwort erteilt eine
Strophe aus dem Siegesfest:

Dem Erzeuger jetzt, dem Großen
Gießt Neoptolem des Weins:
Unter allen ird’schen Losen,

Hoher Vater, preis ich deins.

Von des Lebens Gütern allen
Ist der Ruhm das Höchste doch;
Wenn der Leib in Staub zerfallen,
Lebt der große Name noch.

Und dieser Ruhm, den der Dichter schon bei Lebzeiten genoß, wird ihm
bleiben bis ans Ende der deutschen Nation, weil er nicht bloß auf ästhiC*
tischer Bewunderung beruht, sondern auf einem tiefen Einklang mit dem

Seelenleben, lange nicht bloß der Deutschen, sondern aller Nationen.

Darin ist er einzig unter den neuern Dichtern, ohne daß er darum „der
Größte“ zu sein braucht. Er würde mancher Ueberschwänglichkeit
lächeln, wenn er hören könnte, wie man ihn über andere setzt; ihm und
seiner großen Art anzuschauen war es gewiß am allerklarsten, wie die
großen Dichter aller Zeiten einander ergänzen, nicht weil Einer absolut
größer ist als der Andere, sondern weil jeder seine eigene Art hat.

Aber jene Eigenschaft gehört doch zu den segensvollsten; es ist
die angeborene und ausgebildete Begeisterung für das Gute und Rechte,
beruhend auf einem völlig idealen Naturell; es will vor allem dieser

30
 
Annotationen