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Burckhardt, Jacob; Dürr, Emil [Hrsg.]
Vorträge 1844 - 1887 — Basel, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.30685#0167
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NAPOLEON I. NACH DEN NEUESTEN

QUELLEN

8. UND 22. FEBRUAR 1881.

Die gegenwärtige Zeit ist dem Andenken Napoleons im
ganzen nicht günstig. Größerer Gunst genoß er in den
zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts, als noch viele Bona#
partisten lebten und die Hoffnung, welche die Völker auf die
Freiheitskriege gesetzt hatten, sich nicht erfüllte; diese Gunst stieg noch
bis in die vierziger Jahre; ihren Höhepunkt bildet die Ueberführung der
Gebeine Napoleons von St. Helena nach Paris unter Louis Philippe. In der
Ratlosigkeit von 1848 wurde es dann möglich, daß sein Neffe Präsident
und später Kaiser ward. Das neue Reich sollte die Größe des alten
wiederherstellen und die Mängel desselben vermeiden. Des Neffen
Verdienst um den Onkel besteht in der Herausgabe der „Correspon*
dance“, in welcher aber die piquantesten Stücke weggelassen wurden;
man publizierte nur das, was Napoleon I. auf der Höhe seiner Macht
selbst würde veröffentlicht haben. — So lange das zweite Kaiserreich in
Blüte stand, ging es gut; als aber die Angelegenheiten Napoleons III.
immer dubiÖser wurden, sank auch das Andenken Napoleons I. Die
erste Invasion vom Jahre 1814, die zweite von 1815 erschienen jetzt als
Folge des napoleonischen Tuns. Nun wurde man darüber einig, der
erste Napoleon sei ein Despot gewesen, und habe die Dinge so weit ge#
trieben, daß es zu diesen Invasionen habe kcmmen müssen. Ernster
stellte Pierre Lanfrey die Geschichte dar vom Gefühl einer historischen
Anschauung aus. Er hat die napoleonische Legende zerstört; er zeichs
nete in Napoleon I. mehr das Prinzip des Bösen, wie er es leider nur
zu oft war. Als dann die letzte Invasion vom Jahre 1870 kam, erschien
sie als Verurteilung des Oheims und des Neffen zugleich. Als Lanfrey
später den zweiten Band seiner „Histoire de Napoleon I.“ erscheinen
ließ, brauchte er den früher angeschlagenen Ton nicht zu ändern. Das
ist der Gang der Beurteilung, welche Napoleon I. in Frankreich selber
crfuhr. Das Urteil hat demnach geschwankt, von der Billigung kam es
zur Mißbilligung. Zwar weiß niemand, was jetzt wäre, wenn Prinz Louis
nicht im Zululande gefallen wäre — und personifizieren werden die
Franzosen ihre Staatslenkung immer in Einem, dem sie im entschei*

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