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Burckhardt, Jacob; Dürr, Emil [Hrsg.]
Vorträge 1844 - 1887 — Basel, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.30685#0328
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FORMAT UND BILD

2. FEBRUAR 1886.

Aufmerksam wird man heute auf das Format von Bildern und
Kupferstichen beinahe nur, wenn es sich beim Schmuck einer
Wand um Pendants handelt. Zu beiden Seiten einer Tür oder
einer Uhr oder eines Spiegels oder eines größern Bildes und
dergleichen wünscht man Bilder zu haben, welche vor allem in der
Größe ungefähr gleich und im Format der Bildfläche einander wenig?
stens ähnlich seien; solche bringt man dann in identische Rahmen. Hoch*
bild gesellt sich zu Hochbild, Breitbild zu Breitbild von möglichster
Homogeneität. Kupferstecher und Verleger haben sich nicht selten auf
diesen Wunsch eingerichtet und dabei den Originalen ungescheute Ge?
walt angetan.

Rafael Morghen gab zunächst dem Cenacolo einen beliebigen
Gesamtumriß und stimmte hernach das Pendant dazu: Guidos Aurora,
durch Zusatz von Wolken oben und unten. Und dies in einer faden
Kunstzeit. Weitere Veränderungen werden sogar im Kontour der Bilder
selbst vorgenommen — wo doch auch der Kontour heilig sein sollte —,
ohne Zweifel, damit sie mit einem andern Stich Pendant machen: so gibt
es eine Lithographie oder einen Stich des Sposalizio, welche das obere
Halbrund durch einen geraden Abschluß ersetzen! Man kommt bei den
berühmtesten Kupferstechern auf die größten Rücksichtslosigkeiten, ja
auf eine wahre Gleichgültigkeit gegen Format und Gesamtumfang der
Bilder. Besonders sind ihnen die ungewohnten Formate der Fresken
verhaßt, und sie ziehen obere Bogenabschlüsse gern ins Viereck, auch bei
Staffeleibildern.

Solchen Freiheiten wird hoffentlich die Verbreitung der Photo*
graphie ein ewiges Ende machen. Aber auch die gewöhnliche Photo?
graphie stiftet noch Unheil: Oft ist sie gegen die Ränder der Bilder hin
nicht gut, etwa zu dunkel geraten, und man schneidet dies ab. Oft ist ihr
eigener Rand verletzt, man schneidet ihn ab. Oft ist sie nach Stichen
gemacht, deren Willkürlichkeiten sie ohne weiteres teilt. Sicher ist die
Integrität des Bildes nur, wenn die Photographie den Ansatz des
Rahmens, respektive der Einfassung mit enthält.

Wie groß ist die Formatfrage? Von wie hoch und weit kommt
sie her?

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