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Burckhardt, Jacob; Dürr, Emil [Hrsg.]
Vorträge 1844 - 1887 — Basel, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.30685#0146
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REMBRANDT

6. NOVEMBER 1877.'

Ein Unterschied der antiken von der modernen Kunst besteht
unter anderm darin, daß jene unseres Wissens keine Künstler
hatte, welche durch plötzlich neue Auffassung der Aufgabe
ihrer und aller Kunst jähe Neuerungen und Revolutionen
hervorbrachte.

Die Kunst seit dem XV. Jahrhundert hat eine Anzahl solcher
Meister, deren Ruhm zum Teil sehr groß, deren Berechtigung aber zum
Teil noch streitig ist.

Ein zweiter Unterschied der antiken und mittelalterlichen Kunst
von der modernen ist darin ersichtlich, daß in jener die Kunstmittel
immer nur um des Zweckes, des zu produzierenden Werkes, des zu
verherrlichenden Inhalts willen vorhanden sind. Jene großen Neuerer
aber sind es meist durch Einseitigkeit in einem Kunstmittel; denn im
Hauptpunkt ist das Dauernde geleistet, und sie vermögen darin wenig.

In der neuern Kunst gewinnen die Kunstmittel hie und da ein
eigenes, von Zweck oder Gegenstand unabhängiges Dasein; Zweck oder
Gegenstand werden nur ein Vorwand für sie; ein enormes künstlerisches
Können, das bisweilen seiner Aufgabe zu spotten scheint, tritt weit in
den Vordergrund; in der vollen Einseitigkeit seines Auftretens wirkt
es magisch auf die Zeitgenossen und weckt Sympathien und Anti*
pathien ohne Ende.

Diese Wirkung scheint dann nicht sowohl wie Folge eines Willens,
als vielmehr wie eine innere Gewalt und Notwendigkeit; es ist als hätte
die Welt darauf gewartet. Bei näherer Betrachtung freilich schwindet
einiges von diesem Schicksalsnimbus.

Ein solcher Meister war Rembrandt van Rijn (1606—1669) aus
Leyden.

Seit dem XV. Jahrhundert hatte die Malerei ihre Gestalten und
Szenen beleuchten gelernt mit Ausnahme eines von bestimmter Stelle aus?
gehenden Lichtes in oder außerhalb des Bildes; erst nun erreichte man
vermöge der Modellierung im Schatten und Halbschatten die völlige
Rundung der Körper; der Schlagschatten sodann half den Raum ver?
deutlichen; früh schon, seit Filippo Lippi und den Flandrern, lernte man
auch den Wert des geschlossenen Lichtes für Kraft und Deutlichkeit

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