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Burckhardt, Jacob; Dürr, Emil [Hrsg.]
Vorträge 1844 - 1887 — Basel, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.30685#0191
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ÜBER DAS WISSENSCHAFTLICHE VER-
DIENST DER GRIECHEN

REDE AN DER JAHRESFEIER DER UNIVERSITÄT
10. NOVEMBER 1881.

Bei der Jahresfeier einer Universität gedenkt man besonders
gerne derer, welche vor uns gelernt, geforscht und zuerst
die Pfade der Wissenschaft gebahnt haben, die jetzt in
tausendfacher Verschlingung durch die geisterfüllte Welt
weiter und weiter führen. Der kräftige Forscher und Denker, unser
Rector magnificus, an dessen Stelle ich heute zu Ihnen zu reden habe,
weii er uns entzogen worden ist, auch er würde vielleicht aus der Voiv
geschichte seiner Wissenschaft uns Köstliches mitgeteilt haben von der?
jenigen Art, welche zu weitem Nachdenken auffordert. Gestatten Sie
mir, ein anderes, nicht ganz unbestrittenes Kapitel aus der Geschichte
des Wissens in kurzen Umrissen zu behandeln: das wissenschaftliche
Verdienst der Griechen. Ich hätte nicht das Recht, von den wissen?
schaftlichen Verdiensten der Griechen zu reden, weil dies einen An-
spruch in sich schlösse, welcher ferne von mir ist: die Bekanntschaft
mit dem Inhalt aller einzelnen Wissenschaften. Wohl aber möchte es
erlaubt sein, diejenige spezifische Kraft, welche hier die Trägerin des
Wissens war, in ihren allgemeinen Schicksalen, ihren Fördernissen und
Beschränkungen zu betrachten.

Gewiß sind nicht die Griechen dasjenige Volk gewesen, bei
welchem zuerst Wissen entstanden und gesammelt worden ist. Jedem
falls wird hier der vordere Orient den großen zeitlichen Vorsprung ge?
habt haben vor allen Völkern mindestens des ganzen seitherigen
Westens. Aegypter und Babylonier besaßen alte, vielseitig durchs
gebildete Kulturen und mächtige Staaten, welche die Zwecke dieser
Kulturen zu den ihrigen machten, und hochausgestattete Priesterkasten,
welchen das eigentliche Wissen oblag — alles große Zeiträume, wenig?
stens viele Jahrhunderte, hindurch umwogt von einer ungeheuren und
bisweilen lüsternen Barbarenwelt. Der nächste neuere und noch immer
uralte Schößling war Phönicien, und von hier aus ging dann ägyptische
und babylonische Tradition auch auf die frühsten Griechen über.

Aber die unwissende Jugend dieses Volkes sollte noch sehr lange
Zeiten vor sich haben. Griechenland war ja gar nie Ein Staat, und eine

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