Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Burckhardt, Jacob; Dürr, Emil [Hrsg.]
Vorträge 1844 - 1887 — Basel, 1918

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30685#0298
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE MALEREIUND DAS NEUE TESTAMENT

27. OKTOBER 1885.

Das Thema ist dem Wortlaut nach endlos; das Werk von anderts
halb Jahrtausenden ist in ihm beschlossen. Wenn schon so
viel versprochen wird, warum nicht außer der Malerei auch die
Skulptur? warum nicht außer dem neuen Testament auch noch
das alte, und das Fortklingen des Heiligen in der Legende? Wir müßten
aber damit den größten Teil der christlichen Kunstgeschichte behandeln.

Statt dessen ist unser Thema hier auf das engste zu begrenzen, zu*
nächst dem Umfang nach auf das neue Testament; dann soll unsere Auf?
gabe nicht sein, nachzuweisen, welche Szenen von den verschiedenen
Kunstzeiten, Schulen und Meistern gemalt und wie sie gemalt worden
sind, sondern wir werden nur die wirklich kunstüblich gewordenen
Szenen nach ihren verschiedenen Graden der malerischen Darstellbarkeit
in Kürze zu prüfen haben.

Dargestellt wurde unendlich vieles aus dem neuen Testament um
des religiösen Sachinhaltes willen, zum Beispiel in Zyklen von Glas*
gemälden und Fresken, in Miniaturen der Handschriften und später in
BibeLIllustrationen, oft ohne weitere Rücksicht auf malerische Wünsch*
barkeit. Die Kirche verlangte von den altchristlichen Zeiten an aus dogs
matischen Gründen die Verwirklichung biblischer Ereignisse, mochten
sie dazu geeignet sein oder nicht.

Wie vollkommen die Kirche der Malerei das Gesetz machte, wie sie
die Auswahl und Feststellung der einzelnen Szenen und der dazu erfor*
derlichen Figuren in ihrer Hand behielt, lehrt sehr genau das byzantin*
ische Malerbuch. Dasselbe beschreibt eine außerordentlich große Zahl
von biblischen Momenten, welche dargestellt werden mußten als fort?
laufende Bilderbibel für das Volk, ohne die mindeste Rücksicht auf die
malerische Wünschbarkeit, ja auch nur auf die Möglichkeit. Denn sehr
vielen Ereignissen, welche sich bildlich gar nicht völlig verwirklichen
ließen, mußte durch beigeschriebene Sprüche nachgeholfen werden. Und
auch unser abendländisches Mittelalter hat in ganz ähnlicher Weise
Malerei und Skulptur der heiligen Geschichte absolut dienen lassen.
Erst im Verlauf der Jahrhunderte nahmen in der Kunst diejenigen
biblischen Szenen überhand, für welche sich eine Vorliebe gebildet hatte.
Das Persönliche macht sich von zwei Seiten geltend über die lehrende

282
 
Annotationen