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Burckhardt, Jacob; Dürr, Emil [Hrsg.]
Vorträge 1844 - 1887 — Basel, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.30685#0340
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ANTON VAN DYCK

26. OKTOBER 1886.

Anton van Dyck wurde am 22. März 1599 zu Antwerpen geboren.

Er war Jahrgänger des Velasquez, Schüler und Zeitgenosse
des Rubens und überlebte seinen Meister nur um anderthalb
Jahre.

Er ist einer der berühmtesten, jedenfalls bekanntesten Künstler;
fast alle seine Werke sind jedem verständlich und genießbar und hinter*
lassen meist einen großen Eindruck, neben allen andern Ursachen, be#
sonders weil er immer anzieht; er hat „la gräce“. Dabei ist er fleißig bis
an den Tod, erlahmt nie und ist stets inspiriert. Er ist reichlich in den
Galerien vorhanden, sodaß er vielen Beschauern zum alten Bekannten
wird, dem man mit Freuden wiederbegegnet.

Die Frage erhebt sich, ob er ein Meister ersten Ranges gewesen sei?
Sie ist mit Ja zu beantworten, sobald man vor den so vielen eigenhäm
digen und wohlerhaltenen Bildern steht, welche meist so wirken, daß
man nicht nur ergriffen ist, sondern auch gar nichts dazu oder davon tun,
nichts ändern möchte. Allein auch bei der höchsten denkbaren Be?
gabung und Willenskraft hängt es nicht immer von dem einzelnen ab,
welche Herrscherstellung er in der Kunst einnehmen wird. Es kann ein
anderer vor ihm dagewesen sein, der auf lange Zeit und für einen halben
Weltteil die Richtung angegeben hat.

Eine solche Persönlichkeit war Rubens, der 22 Jahre älter als van
Dyck war. Er hatte die fleißigen und saubern, aber in den Manieren der
römischen Schule befangenen Antwerpener Vorgänger gestürzt; er besaß
zum Studium ein Kunstland, wie das damalige Belgien. Ausgerüstet mit
der mächtigsten künstlerischen Individualität wie Lionardo oder MicheL
angelo, war er dem Lionardo weit überlegen durch den enormen Willen
und Drang des Darstellens, schöpferisch völlig im Sinne der Natur,
geläutert durch die größten italienischen Vorbilder, die ihm gemäß
waren, nämlich durch Tizian und Paolo Veronese, mit einem riesigen
Rayon von Aufgaben, vom Weltgericht bis zur Landschaftskizze, alles
von einem und demselben Geiste aus neu geschaut und neu gegeben (1),
begeistert für das Geschehen innerhalb der idealen und historischen
Welt, der größte Erzähler der ganzen Geschichte der Malerei, war er
in Summa fähig, alles irgend Wünschbare vorweg zu gewähren, den Stoff

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