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Burckhardt, Jacob; Dürr, Emil [Hrsg.]
Vorträge 1844 - 1887 — Basel, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.30685#0341
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einer ganzen Schule vorweg aufzuarbeiten. Zugleich aber war er auch
fähig, diese Schule selber zu erziehen und als Gehülfen kolossaler Unter-
nehmungen an sich zu ketten.

Neben einem solchen mußte jeder, der ihm nahe kam, irgend in
den Schatten geraten, so groß auch sein Kunstvermögen, so ausgiebig
seine Schöpfungskraft sein mochte. Es war aber kein Unglück, Schüler
und Vasall des Rubens zu sein; man wurde dabei Mitgebieter in einem
großen blühenden Reiche. Wer gelernt hatte, was bei Rubens zu lernen
war, konnte sich wohlig der eigenen Kraft überlassen.

Fromentins Frage, was aus van Dyck und den übrigen geworden
wäre, wenn man sich Rubens wegdenkt, ist wohl dahin zu beantworten,
daß van Dyck den mächtigen Ruck, durch welchen Rubens die ganze
Kunst des Nordens neu orientierte, mit all seinen eigenen Kräften doch
nicht vollbracht hätte. Vielleicht wäre er in Italien geblieben und ein
sehr großer Italiener geworden, während dann die Manieristen in Ant-
werpen weiterregierten. Es hat, wahrscheinlich zum Glück, anders
kommen müssen.

Wohlhabend von Hause aus, sehr frühe reif, kam van Dyck nach
einer vielleicht nur kurzen Lehre bei Hendrik van Balen—mehr als etwas
Latein wird er nicht von den Schulbänken her gehabt haben — schon als
Jüngling in die Werkstatt des Rubens; seine Fortschritte waren der Art,
daß er noch nicht ganz neunzehnjährig Meister in der Malergilde wurde.
Zwei Jahre später, bei der großen Bestellung für die Jesuitenkirche von
Antwerpen, wird dem Rubens bereits die Bedingung gestellt, diesen
Gehülfen mitarbeiten zu lassen, und eines der zahlreichen Altarbilder
wurde dem van Dyck insbesondere aufgetragen.

Welches damals in eigenen Arbeiten sein Stil war, wissen wir sehr
genau aus der Verspottung Christi und den dazu gehörenden Bildern des
Pfingstfestes (2) und der beiden Johannes im Museum von Berlin (3). Es
ist Rubens, und in seiner derbsten und herbsten Art (4), auch in dem
körperlichen Typus, welcher eine so große Wandlung ins Edle und Vor*
nehme erfuhr. Mit solchen eigenen Arbeiten und mit einer mehrmonat?
lichen Abwesenheit in England und Holland wechselte dann beständig
die Hilfsarbeit an großen Werken des Rubens, wie man denn in der
Galerie derMarie deMedicis bedeutendePartien der Hand diesesSchülers
zuschreibt. Daß Rubens in eifersüchtige Sorge geraten über das Empor?
kommen van Dycks als Historienmaler (5) und daß er ihn deshalb auf
das Porträt als die ihm besonders zusagende Gattung hingewiesen, gehört

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