Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Burckhardt, Jacob; Dürr, Emil [Hrsg.]
Vorträge 1844 - 1887 — Basel, 1918

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30685#0051
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ÜBER DEN WERT DES DIO CHRYSOSTO*
MUS FÜR DIE KENNTNIS SEINER ZEIT

3. MAI 1864.

Die Geschichte als Betrachtung und Darstellung nicht bloß vers
gangener Tatsachen, sondern auch des vergangenen Daseins
sieht sich unaufhörlich neben den eigentlichen Historikern
hingewiesen auf die ganze Literatur der betreffenden Zeiten,
ja auf die Schriftwelt und die Denkmäler im weitesten Sinne des Wortes.
In besonders hohem Grade gilt dies von der Geschichte solcher ZeiU
alter, deren historische Ueberlieferung im engern Sinne lückenhaft ist
und deren Wichtigkeit eben so sehr oder noch mehr in den herrschenden
Zuständen als in den Ereignissen liegt. Beides kann behauptet werden
von der Zeit des KaisersTrajan. Während in der so glänzendenRegierungs?
geschichte des optimus princeps selbst die chronologische Reihenfolge der
Facta nur mit großer Mühe hat hergestellt werden können, während
Plinius, Dio Cassius und einige viel spätere Epitomatoren kaum eine zus
sammenhängende Darstellung gewähren, ist gerade in Betreff des allge?
meinen Zustandes der Ruhm jener Zeit öfter bis zu starker Ueberschätzung
getrieben worden. Müssen uns nun nicht gerade hier Aufzeichnungen jeder
Art höchst erwünscht sein, sobald sie irgend ein Licht auf den Gegenstand
werfen, welches dessen wahre Form und Farbe um etwas sichtbarer macht?

Eine solche Hilfsurkunde besitzen wir in Gestalt der achtzig Reden,
Abhandlungen und Dialoge des Dio Chrysostomus, welche auch in der
Tat längst für die Geschichte Trajans benützt worden sind. Möge es
gestattet sein, dasjenige, was bei Dio im weitern Sinne historisch nutz#
bar erscheint, nach einigen Richtungen hin zu verfolgen. Von seinem
äußern Leben soll nur so viel angeführt werden, daß er um die Mitte des
I. Jahrhunderts n. Chr. als Sohn einer vornehmen Familie zu Prusa in
Bithynien (dem jetzigen Brussa) geboren wurde, die ganze rhetorisch*
philosophische Bildung seiner Zeit genoß und schon unter den Flaviern
in Rom lebte; von Domitian ausgewiesen, reiste er in Griechenland und
am Pontus und erschien unter Nerva wieder in Rom, wo er auch, nach
einem nochmaligen längern Aufenthalt zu Prusa, unter Trajan sein Leben
beschloß. Da aus guten Gründen die noch vorhandenen Arbeiten zum
weit überwiegenden Teil in seine spätere Lebenszeit verlegt werden, so
redet er zu uns wesentlich als Zeitgenosse Trajans.

35
 
Annotationen