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Burckhardt, Jacob; Dürr, Emil [Hrsg.]
Vorträge 1844 - 1887 — Basel, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.30685#0282
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DIE ANFANGE DER NEUERN PORTRAT*

MALEREI

10. MÄRZ 1885.

in ruhmvoller Zweig der Malerei ist gegenwärtig zwar nicht am
Absterben begriffen, doch ist seine Ausübung sehr viel
seltener geworden: Die malerische Darstellung des Indivh
duums, einzeln oder als Gruppe von mehreren. Bei der

Zeitbedrängnis und Eile, in welcher wir leben, wird das Bildnis im
ganzen einem mechanischen Verfahren, der Photographie, überlassen.
Wir stehen der Porträtmalerei im Grunde schon wie einem historisch
abgeschlossenen Ganzen gegenüber. Möge es gestattet sein, die Anfänge
dieser Gattung in einer kurzen Uebersicht zu verfolgen.

Wir werden uns dabei nicht ausschließlich auf das gemalte Einzeh
porträt beschränken dürfen; in vielen und verschiedenen Weisen hat von
jeher die Verewigung des Einzelmenschen, sei es für ihn oder für andere,
als wünschbar gegolten. Unser Thema wird sich daher erweitern müssen
zu einem Ueberblick der Geschichte der Aehnlichkeit, des Vermögens
und des Willens, dieselbe hervorzubringen.

Gerne wird hier verzichtet auf die Porträtkunst des ganzen Alter?
tums; aus der griechischen Zeit ist uns ja ohnehin nur das plastische
Bildnis, sei es Hermenbüste oder Statue, erhalten und wir werden uns
hüten, hier und für heute jenes große Thema zu berühren, welches Ver#
rechnung zwischen Aehnlichkeit und höherer Auffassung heißt. Die
einzige Statue des Sophokles im Museum des Laterans könnte endlose
Betrachtungen hervorrufen. Immerhin müssen wir betonen, daß auch
das gemalte Porträt nicht fehlte. In Theben soll laut Staatsbeschluß
den Malern wie den Bildhauern vorgeschrieben gewesen sein, die
dargestellten Leute zu veredeln und eine Geldbuße traf die Verhäß#
licher (1).

Im Hinblick auf die Gesetzmacherei der Griechen in den Zeiten
des Verfalles ist diese Notiz durchaus nicht zu verwerfen; wichtiger aber
ist eine andere Aussage, laut welcher das ohne Zweifel gemalte, nicht
gemeißelte Porträt bei den wohlhabenden Athenern des III. Jahrhunderts
vorChristus schon eine allgemeine Sitte gewesen wäre. BeiTheophrast(2)
gehört es zu den üblichen Komplimenten eines athenischen Schmeichlers
an seinen Herrn: Das Haus sei hübsch gebaut, das Landgut herrlich

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