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Burckhardt, Jacob; Dürr, Emil [Hrsg.]
Vorträge 1844 - 1887 — Basel, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.30685#0076
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UBER DIE NIEDERLANDISCHE GENRE*

MALEREI

24. NOVEMBER, 1. UND 8. DEZEMBER 1874.
VORBF.MERKUNG.

Indem wir uns anschicken, von der niederländischen Genremalerei
zu reden, läge es scheinbar nahe, zuerst zu erörtern, was Genre?
malerei überhaupt sei. Wir würden auf eine Anzahl von Definb
tionen. geraten, welche mehr oder weniger treffend wären, und
schließlich nach einigem Zeitverlust mit keiner von allen zufrieden sein,
weil das Phänomen, das im ganzen seit hundert Jahren zu diesem zu*
fälligen Namen gelangt ist, je nach Zeiten, Völkern und Schulen ein sehr
verschiedenes ist. (1) Der zu Grunde liegende Wille ist ein gar zu verschie?
dener, und der ägyptische Wandmaler des dritten Jahrtausends v. Chr.,
welcher in den Grüften von Beni Hassan das Ackern und Ernten, das
Bauen und Arbeiten seines Volkes dargestellt hat, wollte und mußte
etwas anderes als David Teniers, wenn er seine Leute auf dem Felde
arbeiten läßt. So reicht man schon mit der Abgrenzung nach Gegen?
ständen nicht aus, wenn die Auffassung und Absicht weit auseinander#
liegenden Welten angehören.

Abgesehen davon, daß die Größe und Wichtigkeit der Sache eine
geschichtliche Einleitung, eine Beleuchtung durch frühere ähnliche Er*
scheinungen rechtfertigt, wird vielleicht auch für Verdeutlichung des
Begriffes „Genre“ am besten zu sorgen sein, wenn wir zusehen, was in
den verschiedenen Epochen und Weiheländern der Kunst im Genre,
ohne daß das Wort existiert hätte, ist geleistet worden, bevor die Nieder?
länder die Aufgabe in ihrem vollen Reichtum ergriffen und der höchsten
Vollendung entgegen führten.

Ferner ist nie zu vergessen, daß die Kunst selbst, als aktive Kraft,
von unsern Definitionen ohnehin keine Notiz nimmt und den Beschauer
überraschen kann mit stets neuen Uebergängen und Wandlungen, welche
die genaue Trennung nach Gattungen unmöglich machen.

Als göttliche Macht tritt sie in diesen scheinbar untergeordneten
Aufgaben nahezu in eine ebenso starke Berührung mit unserm innern
Leben, als wenn sie die großen idealen Aufgaben löst; die Berührung er*
folgt nur in anderer Weise. Die niederländische Genremalerei gehört
auf unentbehrliche Weise mit zu dem großen Regenbogen, der unser

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