Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Burckhardt, Jacob; Dürr, Emil [Hrsg.]
Vorträge 1844 - 1887 — Basel, 1918

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30685#0145
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
diese ihre Kräfte anderweitig verwenden. Vielleicht aber fand Goethe
in seinem Entwurf einen tiefern, das Leben der Tragödie in Frage
stellenden Mangel und ließ sie deshalb liegen.

Und doch wäre in jener Zeit seiner hohen, geläuterten Kraft auch
bei einer nicht tadelfreien Anlage immer noch ein herrliches Werk ent?
standen (2), und in den hingeworfenen Fragmenten aus den Reden und dem
Dialog der Tragödie finden sich einzelne Zeilen, die zum wunderbarsten
und lieblichsten gehören, was Goethe gesagt hat. Vollends der süd*
liche Ton und Klang, welcher das Ganze würde durchdrungen haben,
ist durch keine andere Dichtung Goethe’s zu ersetzen:

Ein weißer Glanz ruht iiber Land und Meer
Und duftend schwebt der Aether ohne Wolken.

Acht Jahre später (1795) läßt er Mignon singen:

Kennst du das Land, wo die Citronen blühn,

Im dunkeln Laub die Goldorangen gliihn,

Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,

Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht?

Kennst du es wohl?

129

9
 
Annotationen