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Burckhardt, Jacob; Dürr, Emil [Hrsg.]
Vorträge 1844 - 1887 — Basel, 1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.30685#0168
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denden Falle die ganze Kraft ihres Volkstums zu Gebote stellen; das
heißt, ein Napoleonismus kann sich immer neu erzeugen.

Aber Napoleon I. wird jetzt entschiedene Ungunst zu Teil. Er
erscheint wie mitschuldig auch an der Invasion von 1870. Dichter,
welche ihn in den zwanziger und dreißiger Jahren verherrlichten, sind
jetzt völlig von ihm abgewandt, auch die Romanschreiber.

V/ir würden jedoch unser Urteil vor all solchen Schwankungen
unserer Zeitgenossen nach Kräften sicherstellen müssen.

Das Unglück für Napoleon ist nun aber, daß auch die Urteile seiner
eigenen Zeitgenossen, welche erst jetzt erschienen sind, für ihn nicht
günstig lauten. Zwar wartet man noch immer auf die Memoiren Talley?
rands. Einige Quellen sind aber schon zu Tage gekommen und werfen
helle Strahlen auf Napoleon. So von Jung: „Bonaparte et son temps“,
zwei Bände. Dieses Werk reicht jedoch nur von Napoleons Jugend bis zum
Jahre 1795; ein äußerst ungünstiges Werk für Napoleons Andenken, aber
wichtig durch die Aktenstücke, welche erst durch Jung zum Teil ent?
deckt worden sind. Es steht zu erwarten, daß das Werk fortgesetzt
wird.

Bei der Redaktion der „Correspondance“ begann man wohlweislich
erst mit der Belagerung von Toulon und ließ die Kindheitsgeschichte
Napoleons weg. Dagegen treten hier ein die sehr wichtigen Memoiren
der Madame de Remusat, drei Bände, sowie die Aussagen Metternichs
in seinen hinterlassenen Werken.

Wir beginnen mit den Aussagen Jung’s. Diese ganze Darstellung
muß natürlich einseitig sein, weil aus den Quellen geschöpft wird, welche
jetzt neu vorliegen und zu Ungunsten Napoleons lauten. Das Große
und Einzige an ihm kommt hier nicht zu Tage: die Verbindung einer
unerhörten magischen Willenskraft mit einer riesigen, allbeweglichen
Intelligenz, beides gerichtet auf Machtbereitung und beständigen Kampf,
zuletzt gegen die ganze Welt. Es läßt sich denken, daß künftig Quellen
entdeckt werden, welche wiederum mehr zu Gunsten Napoleons aus*
fallen. Uebrigens ist nicht zu besorgen, daß eifrige Verehrer Napoleons
darüber in Schmerz ausbrechen werden, wie etwa vor vierzig Jahren; denn
gegenwärtig gibt es wahrscheinlich keine solchen mehr.

Napoleons Vater, Charles de Bonaparte, war einer jener Korsen,
welche sich sogleich, als im Jahre 1768 die Insel französisch wurde, mit
dem größten Eifer an die neue Regierung anschlossen, Er erscheint als
ein genußsüchtiger Mann ohne Mittel, der seine-Kinder nur vermittelst

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