Zahlreich erscheint die französische Hof? und Stadtgesellschaft in
den Memoiren der Zeit der letzten Valois, denen des Bassompierre, Duc
de Guise, Cardinal de Retz und der Fronde überhaupt, endlich vollends
in Saint Simon. Eine Menge Personen waren dem Autoren wichtig, und
geistreich war oder schien im damaligen Frankreich jedermann. Auch
in den Briefen der Sevigne treten sehr viele Leute auf, welche uns nur
interessieren, so weit charakteristische Züge und Worte von ihnen mits
geteilt werden. Auch mit ihren eigenen Verwandten und nächsten
Bekannten dürfen wir uns hier nur abgeben, soweit dies ganz notwendig
ist, und so auch mit den äußern Zügen ihres eigenen Lebens.
Marie de RabutimChantal, geboren 1626, war eine Bourguignonne.
Ihr Vater fiel im Kriege, als sie ein Jahr alt war. Ihre Großmutter väter*
licherseits, Francoise de Chantal, Mitstifterin der Visitandinerinnen,
galt in ihrem Leben schon als Heilige, obwohl sie erst von Benedikt XIV.
selig und von Clemens XIII. heilig gesprochen wurde. Madame de Se*
vigne besuchte überall die Klöster dieses Ordens, wo sich solche be*
fanden, und galt bei den Nonnen als relique vivante. Auf den Fall, daß
sie in Paris stürbe, wollte sie bei den Visitandinerinnen begraben sein.
Der Stammhalter der Rabutins war ihr bedenklicher Vetter Roger,
Comte de Bussy?Rabutin. Auch seine Briefe sind gesammelt und mehr«
mals gedruckt, darunter Briefe an die Sevigne und nicht wenige von ihr.
Außerdem existieren von ihm stellenweis wertvolle Memoiren. Unter
Richelieu hat er seine wilde militärische Jugend verbracht; dann ge?
wöhnte er sich mit den Franzosen der Fronde an schrankenlose Rede
und Schrift; allmählich entstand seine „Histoire amoureuse des Gaules“,
zur Verzweiflung mancher Familien, und auch seine Cousine schonte er
nicht: „A defaut de vices, il lui suppose des ridicules . . . qu’elle ait eu au
moins le goüt de toutes les sottises qu’elle n’a point faites.“ Aber die
Strafe sollte nicht ausbleiben; Bussy merkte in seiner enormen Eitelkeit
seit Ludwigs XIV. eigener Regierung nicht bei Zeiten, daß ein anderer
Wind wehe. Er dichtete ein Hohnepigramm auf des Königs Verhältnis
zur Lavalliere, das dazu noch nach der Weise eines Kirchenliedes unter
Faxen auf Schloß Roissy abgesungen wurde. Von allen bösen Mäulern
bleibt eines in der Patsche. Als daher der König erbittert war, regten sich
auch die übrigen Verletzten; so war Bussy verloren; es folgten dreizehn
Monate Bastille und dann das Exil auf seine Güter; eine späte Be?
gnadigung schaffte ihm weder Gunst noch verlorene Habe wieder. Die
Cousine hatte ihm zwar verziehen; die Korrespondenz mit dem Haupt
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den Memoiren der Zeit der letzten Valois, denen des Bassompierre, Duc
de Guise, Cardinal de Retz und der Fronde überhaupt, endlich vollends
in Saint Simon. Eine Menge Personen waren dem Autoren wichtig, und
geistreich war oder schien im damaligen Frankreich jedermann. Auch
in den Briefen der Sevigne treten sehr viele Leute auf, welche uns nur
interessieren, so weit charakteristische Züge und Worte von ihnen mits
geteilt werden. Auch mit ihren eigenen Verwandten und nächsten
Bekannten dürfen wir uns hier nur abgeben, soweit dies ganz notwendig
ist, und so auch mit den äußern Zügen ihres eigenen Lebens.
Marie de RabutimChantal, geboren 1626, war eine Bourguignonne.
Ihr Vater fiel im Kriege, als sie ein Jahr alt war. Ihre Großmutter väter*
licherseits, Francoise de Chantal, Mitstifterin der Visitandinerinnen,
galt in ihrem Leben schon als Heilige, obwohl sie erst von Benedikt XIV.
selig und von Clemens XIII. heilig gesprochen wurde. Madame de Se*
vigne besuchte überall die Klöster dieses Ordens, wo sich solche be*
fanden, und galt bei den Nonnen als relique vivante. Auf den Fall, daß
sie in Paris stürbe, wollte sie bei den Visitandinerinnen begraben sein.
Der Stammhalter der Rabutins war ihr bedenklicher Vetter Roger,
Comte de Bussy?Rabutin. Auch seine Briefe sind gesammelt und mehr«
mals gedruckt, darunter Briefe an die Sevigne und nicht wenige von ihr.
Außerdem existieren von ihm stellenweis wertvolle Memoiren. Unter
Richelieu hat er seine wilde militärische Jugend verbracht; dann ge?
wöhnte er sich mit den Franzosen der Fronde an schrankenlose Rede
und Schrift; allmählich entstand seine „Histoire amoureuse des Gaules“,
zur Verzweiflung mancher Familien, und auch seine Cousine schonte er
nicht: „A defaut de vices, il lui suppose des ridicules . . . qu’elle ait eu au
moins le goüt de toutes les sottises qu’elle n’a point faites.“ Aber die
Strafe sollte nicht ausbleiben; Bussy merkte in seiner enormen Eitelkeit
seit Ludwigs XIV. eigener Regierung nicht bei Zeiten, daß ein anderer
Wind wehe. Er dichtete ein Hohnepigramm auf des Königs Verhältnis
zur Lavalliere, das dazu noch nach der Weise eines Kirchenliedes unter
Faxen auf Schloß Roissy abgesungen wurde. Von allen bösen Mäulern
bleibt eines in der Patsche. Als daher der König erbittert war, regten sich
auch die übrigen Verletzten; so war Bussy verloren; es folgten dreizehn
Monate Bastille und dann das Exil auf seine Güter; eine späte Be?
gnadigung schaffte ihm weder Gunst noch verlorene Habe wieder. Die
Cousine hatte ihm zwar verziehen; die Korrespondenz mit dem Haupt
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