Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 12.1911

DOI Heft:
Nr. 4
DOI Artikel:
Lange, Konrad von: Die Restauration des inneren Schloßtors von Hohentübingen
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.31849#0084

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
findet sich eine freie Nachbildung der bekannten Medaille mit einem weiblichen Idealkopf
vom Fahre 1508, die Dürers Monogramin trägt und früher fälschlich als Agnes Dürer be-
zeichnet wurde, jetzt richtiger Lukretia genannt wird. Der alte Steinmetz muß im Besitz dieser
Medaille gewesen sein, deren Zurückführung aus Dürer nach den Erörterungen von Sallet,
Habich und Halm wohl keinen: Zweifel mehr unterliegt.
Es folgt dann eine Szene, die von Bach irrtümlich als Raub der Proserpina gedeutet
wird, in Wirklichkeit aber der Ringkamps zwischen Herkules und Antaeus ist. Auch diese Dar-
stellung hat der Steinmetz nicht selbst erfunden, sondern irgend einer der damals kursierenden
italienischen oder deutschen Plaketten (oder Kupferstiche) entlehnt. Dasselbe gilt von der
Jagdszene in der oberen Hälfte dieses Pilasters: Ein Jäger, der von 11 Jagdhunden begleitet
ist, versetzt einem Bären den Todesstoß. Ebenso von der nackten aus einem Totenschädel stehen-
den Frau, die das Ornament oben abschließtO) Alle diese Ornamente entsprechen zwar in ihrer
Verteilung und Komposition ungefähr dem Original, zeigen aber durchweg jene fatale Regel-
mäßigkeit und Glätte, die sich bei modernen Imitationen fast immer einzustellen pflegt. Das-
selbe gilt von den Masken in den rautenförmigen Feldern, die die Pilasterfüllungen in der Mitte
unterbrechen. Noch freier ist Kopp bei den: Ornament des Pilasters rechts verfahren. Weder
der Herakles, der den kretischen Stier aus den Schultern trägt, noch die Vase unter ihm stimmt
mit der Photographie des alten Zustandes überein. Auch für die Jagdszene der oberen Hälfte
— ein unbärtiger Jäger bläst über einem erlegten Hirsche das Halali — war in den erhaltenen
Teilen nur ein geringer Anhalt vorhanden. Die schreitende Frau zu oberst ist ganz frei er-
funden, ebenso wie das ganze Ornament des Pfeilers links, in dem man die Motive des ent-
sprechenden Pfeilers rechts zum Teil wiederholt hat, und in dessen unterer Hälfte der Kampf
des Herakles mit dem nemeischen Löwen
dargestellt ist.
Ebenso frei erfunden sind die Verzie-
rungen aus den Postamenten der Pilaster.
Hier war bis zum Jahre 1892 nur die
gerauhte Fläche zu sehen, die die Orna-
mentplatten aufnehmen sollte. Auch die
schmalen Anbauten außerhalb der Pilaster
sollten wohl kaum die langweilige und
schmucklose Form erhalten, die ihnen bei
der Erneuerung gegeben worden ist. Doch
läßt sich, da die alten Stücke zerstört sind,
nichts mehr darüber sagen.
Von den beiden viertelkreisförmigen
Reliefplatten in: Aufsatz ist nur diejenige
mit dem grasenden Hirsch links erhalten.
*) Albert Brinckmann bat in seiner Dissertation
„Über die praktische Bedeutung der Ornamcntstiche
für die deutsche Frührenaissance" (1907) die
Quellen dieser Art Ornamentik in überzeugender
Weise nachgewiesen. Auf S. 79 behandelt er auch
die Ornamente des Portals zum Rittersaal des
Tübinger Schlosses, die auf Kupferstiche von
Abb. Sl. Aldegrever zurückgehen. Für unser Portal fehlt
Zwei Krieger vom inneren Schlohtor zu Hohentübingen. noch die einschlägige Untersuchung.
 
Annotationen