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Denkmalpflege: Auszug aus d. stenograph. Berichten d. Tages für Denkmalpflege 1900 - 1912 — 1.1910

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IV. Kommunale Denkmalpflege
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Über die Möglichkeit der Erhaltung alter Städtebilder unter Berücksichtigung moderner Verkehrsanforderungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.29654#0424

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Erhaltung alter Städtebilder.

kehrsreiche Altstadtstraßen von geringerer Breite bei guter Disposition der
Geleise und guter Verkehrsregelung ein reger Straßenbahnbetrieb wohl mög-
lich ist.

Halle a. S. hat wohl zuerst unter den größeren Städten das Wagnis
unternommen, durch die engen Straßen der Altstadt den elektrischen Bahn-
verkehr zu leiten, und seinem Beispiel sind viele andere Städte, wie zum Bei-
spiel Nürnberg und Köln, gefolgt. In Halle werden die verkehrsreichsten
Straßen der Stadt, die Leipziger Straße bei einer durchschnittlichen Fahr-
hahnbreite von 7,0 m und die Ulrichstraße, deren Fahrbahnbreite zwischen
4,35 und 8 m schwankt, von der Straßenbahn durchfahren.

Freilich ermöglichen solche geringen Straßenbreiten nur eingeleisige
Anlagen, die nur an den breiteren Stellen weichenartig auf zwei Geleise er-
weitert werden. Es hat dies natürlich zuweilen Verkehrsstockungen zur
Folge und ist als Notbehelf anzusehen. Häufig wird sich aber der Weichen-
betrieb dadurch umgehen lassen, daß der Verkehr gegabelt wird, d. h. die
Linien in der Weise geteilt werden, daß Hin- und Rückfahrt in verschiedene
benachbarte Straßen verlegt sind. Eine solche Lösung, die sich sowohl zum
Schutze ganzer Straßenzüge wie namentlich zu demjenigen einzelner hervor-
ragender Bauwerke eignet, ist zum Beispiel in Nürnberg bei St. Sebald zu
finden: die aus der Augustinerstraße kommende zweigeleisige Bahn teilt sich
in zwei eingeleisige Linien, von denen die linke an St. Sebald vorbei führt,
während die rechte in der Rathausstraße das Rathaus berührt, um sich erst
wieder in der Theresienstraße mit der Schwesterstrecke zu vereinen.

Nimmt man solche Auswege und Behelfe mit in Kauf, so wird sich in
vielen Fällen, namentlich in kleineren Städten, deren übriger Verkehr
nicht allzu groß ist, ohne wesentliche Eingriffe die Durchführung von Straßen-
bahnen durch alte Stadtteile ermöglichen lassen. Ganz allgemein kann man
sagen, daß hierbei für eingeleisigen Betrieb eine durchschnittliche Fahrbahn-
breite von 7,5 m, für zweigeleisigen eine solche von 10,0 m vollkommen aus-
reicht. Es wird der Verkehrstechniker dem Freunde schöner Städtebilder
freilich immer entgegenhalten, daß der wirtschaftliche Erfolg des Straßen-
bahnbetriebes wesentlich von dessen Einfachheit abhänge. Ihm ist deshalb
ja jede Kurve unsympathisch und er weiß, daß die Schnelligkeit des Ver-
kehrs wächst mit der Möglichkeit, die Bahngeleise von übrigen Fuhrwerken
frei zu halten ■— also mit der Fahrbahnbreite der Straße. Es läßt sich das
nicht bestreiten, aber es ist demgegenüber doch nicht zu vergessen, daß es
für das Glück der Menschheit doch noch andere Ziele gibt als die stete
Steigerung der Verkehrsgeschwindigkeit —, daß auch ethische Momente ihr
Recht verlangen. In gar manchen Fällen dürfte übrigens doch auch der
Nachweis nicht ganz gelingen, daß die Aufwendungen für die Verbreiterung
einer verkehrsreichen Straße zur Aufnahme einer zweigeleisigen Straßenbahn
zu dem Erträgnis der letzteren im richtigen Verhältnis stehen. Auch bewirkt
noch lange nicht überall die Durchführung einer Straßenbahn eine wirtschaft-
liche Hebung des betreffenden Straßenzuges oder Stadtteiles.

Ganz unvermeidlich ist ja die Beeinträchtigung des Städtebildes durch
Straßenbahnen schon um deswillen nicht, weil, solange nicht eine brauchbare
unterirdische Stromzuleitung erfunden ist, die Aufstellung von Kabelmasten
nicht zu umgehen ist. In den Straßen der Großstadt fallen sie ja weniger
 
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