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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,1.1915

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1915)
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Ullmann, Hermann: Deutsch-österreichisch-ungarisches Wirtschaftsbündnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.14291#0238

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Wirtschaftseinheit und möchten sich vor allem die Pforten zum Welthandet
offen halten. Sie tragen Sorge um die Meistbegünstigungsklausel, die
bisher den Weltverkehr geregelt hat und künftig wenigstens den Verkehr
mit den andern Staaten außer Österreich-Angarn beherrschen soll. Zastrow
macht daher den Vorschlag: beim Friedensschluß sei klar festzulegen: von
den zukünftigen Meistbegünstigungen seien die Bevor«
zugungen ausgenommen, die Deutschland und Habsburg
einander gewähren. Im übrigen aber hofft er, daß die „Fortsetzung
des Krieges mit andern Waffen" aus dem handelspolitischen Verhalten der
Völker zueinander, auch der jetzt kriegführenden, der Kampf mit Hilfe der
Meistbegünstigung ausgeschlossen sein werde. Er sagt grundsählich: „Bei den
zukünftigen handelspolitischen Verhandlungen mit unsern Feinden sollen
wir uns durch nichts leiten lassen als durch unsre Interessen." Recht
schön: nur will es uns scheinen, als hätten alle Meistbegünstigungsklauseln
Frankreich nicht gehindert, gegen uns und gegen sein eigenes Interesse
handelspolitisch zu arbeiten — und als werde das künftighin noch schlim«
mer sein. Wir haben mit einem wirtschaftlichen Zusammenschluß unsrerer
Feinde über den Krieg hinaus, unter Englands Führung, zu rechnen.

Damit kommen wir auf die politischen Gegner des ganzen Planes zu
sprechen, die sich freilich, dem gewaltigen geschichtlichen Zwang gegenüber,
auch zumeist hinter wirtschaftlichen Begründungen verstecken. In Deutschland
sind's jene Imperialisten, die aus Bismarcks Erbe nur seinen damals zweck«
mäßigen Satz von der Saturiertheit des Reichs gerettet und dogmatisiert
haben; die für Deutschland neue Verwicklungen in östliche und südöstliche
Fragen fürchten (statt deren Lösung zu suchen), weil sie Deutschlands
Kräfte für Äbersee frei haben wollen. Die Kreise, die so denken, sind nicht
sehr groß, aber einflußreich. Immerhin sind die politischen Widerstände
in der Donaumonarchie gefährlicher. Da ist zunächst einmal das Anab-
hängigkeitsstreben der Magyaren, die man (867 zu den tzerren von Angarn
gemacht hat. Österreich und Angarn ist nur durch den Ausgleich, der alle
zehn Iahre von den Magyaren erkauft werden mußte und (M das
nächste Mal abläuft, verbunden. Die „parlamentarische" Linheit, die
den Angarn ein sehr einfach majorisierendes Wahlrecht zugunsten einer
politisch geschickten Oberschicht verschafft, gibt dem parlamentarisch ver«
fahrenen Österreich gegenüber das Äbergewicht. Die Zolleinheit im Innern
der Donaumonarchie ist also bis jetzt kein besonders sicheres Gebäude.
Stengel macht daher auch zur Voraussetzung einer deutsch-österreichisch-
ungarischen wirtschaftspolitischen Annäherung eine dauernde oder sehr lang-
fristige Verständigung der beiden Reichshälften. Denn eine Verhandlung
zwischen drei Parteien ist wesentlich schwieriger als zwischen zweien. Er
überläßt dabei die Frage der Einigung völlig den Maßgebenden in der
Donaumonarchie selbst: der einzige Mangel, wie uns scheint, in der ganz
ausgezeichneten Stengelschen Schrift, die vor allem sehr guten Einblick in
die politischen und staatsrechtlichen Zusammenhänge gewährt. Auch die
reichsdeutschen Fachleute müssen sich mit einer Frage beschäftigen, die
ganz Mitteleuropa angeht; und die österreichisch-ungarischen müssen Rat
und tzilfe dankbar annehmen, da die Schwierigkeiten der Donaumonarchie
Lebensfragen nicht bloß für sie, sondern für ganz Mitteleuropa bedeuten.

Amsomehr als die Widerstände gegen die Ausgestaltung des Bündnis-
gedankens in Österreich-Angarn sehr verwickelt, zum Teil sachlich schwer
erfaßbar sind, sich kreuzen und dabei bald gegenseitig verbergen, bald

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