Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,4.1918

DOI Heft:
Heft 19 (1. Juliheft 1918)
DOI Artikel:
Treu, Georg: Eduard von Gebhardt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14374#0022

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Von jener Rcise kehrte Gebhardt s860 nach Düsseldorf znrück, wo er in der
Folge auch als Lehrer und Meister an der Kunstakadenrie seit mehr als einenr
halben Iahrhundert tätig war. Iener Gedanken- und Gestaltenwelt seiner
Ingend aber blieb er fortan treu.

Bezeichnend dafür ist die „Pflege des Leichnams Christi" vom Iahre s883
in der Dresdener Gemäldesammlung. Wir waren gewohnt, Darstellungen der
„Pietä" in den Formen der italienischen Knnst zn sehen: den edelgebildeten
Leichnam Christi von einem Kranze schöngewandeter Menschen umringt, die
ihrer Trauer in wohlabgewogenen Gebärden Ansdruck geben; Gebhardt aber
verlegt die handlung in ein altniederländisches Gemach, in dem die Seinen
den tenren Leichnam vor dem Getümmel der feindlichen Welt geborgen haben,
um an ihm in heiliger Stille die letzte Liebeshandlung zu vollziehen. Maria
— sie trägt die Züge von Gebhardts eigener Mutter — hält leidversunken das
Haupt des todesstarr ausgestreckten Leichnams auf ihren Knien; die Frauen
vollziehen in flüstcrnder Geschäftigkeit ihr Liebeswerk; Iohannes und die Träger
der Bahre verharren in schmerzlich düsterem Schweigen. Ganz am äußersten
Rande des Bildes schant der Maler selbst mit seinen Kindern dem heiligen
Vorgang zu, als wollte er auch damit bezeugen, daß es sich für ihn nicht nur
um die Schöpfung eines Kunstwerkes, sondern um ein Werk der Liebe und
Andacht handle. In der Tat: ein echt deutsches, frommes Bild.

Auch bei Gebhardts beiden Hauptwerken in der Berliner Nationalgalerie,
dem Abendmahl und der Himmelfahrt, drängen sich Erinnerungen an Glanz-
leistungen der italienischen Malerei zum Vergleich heran. Zunächst Lionardos
berühmtes Wandbild in dem großzügigen Rhythmus der dreigliedrigen Gruppen
zu beiden Seiten des Erlösers, jenen ausdrucksvollen Gebärden, seinen schönen
und ehrwürdigen Köpfen. Gcbhardt seinerseits war schon durch den engeren
Rahmen eines Slgemäldes zu stärkerer Zusammendrängung seiner Gestalten
genötigt; ihre Anordnung sollte absichtslos natürlich erscheinen, die Menschen
in ihrer nordisch knorrigen Eigenart verschlossener, der Ausdruck ihres Schmer-
zes für unser Gefühl innerlicher. Er wollte eben für Deutsche malen. Dazu
hat er in Zügen und Gestalt des Iudas ein packendes Gegenbild geschaffen.
Zur Tür hinausschreitend und verächtlich auf die armen Fanatiker zurück-
blickend, trennt cr sich auch äußerlich von der Gemeinschaft der Liebe und des
Glaubens.

Mit Gebhardts Himmclfahrt Christi mag man Tizians Himmelfahrt der
Maria vergleichen. Bci dieser vergißt man über dem berückenden Farbcnrausch
dcs machtvollen Gemäldes die theatralischen Gebärden der Iünger in ihrem
Entzücknngstaumel. In die Himmelfahrt unseres Künstlers hat eher das Vor-
bild Dürers hineingewirkt in seiner, uns ja leider nur in einer späten, mittel-
mäßigen Nachbildung crhaltenen Krönung der Maria. Die Anordnnng der
knieendcn und stehenden Iünger ist in ähnlichem Sinne gehalten. Es sind herbe
Gestalten in starker seelischcr Errcgung. Lhristus nicht als überirdisches Wesen
entschwebend, sondcrn in mitleidsvoller Ergriffenheit die Seinen segnend. Das
ist ein echt gebhardtischer Zug. In der Bergpredigt sitzt bei ihm Iesus niemals
ruhig lehrend da, sondern spricht in erbarmendem Mitgefühl lebhaft auf das
ihn umringende Volk ein.

Abcndmahl und Himmclfahrt entstanden s870 und s88s. Mit diesen beiden
umfangreichen Gcmälden trat Gebhardt nicht nur in die erste Reihe der zeit-
gcnössischen Künstlcr, sondern hatte sich auch als protestantisch-deutscher Maler
großen Stils erwiesen und seine Anwartschaft auf monumentale Aufträge bc°
gründct. Sie sollten ihm werdcn, nachdcm einc s88Z nnternommene Neise nach

7
 
Annotationen