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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 7.1890

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Beck, Paul A.: Zum Ulmer Münsterjubiläum 1890. Die Altäre und Pfründen im Ulmer Münster, [5]: ein Beitrag zur vorreformatorischen Geschichte desselben
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Miszellen
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https://doi.org/10.11588/diglit.20201#0080

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76

einen Apfel vorhält, nach welchem dasselbe anch greift. Oben
in der Mitte schwebt der heilige Geist als weiße Tanbe; hinter
der Bank erblickt man noch vier Männer. — Die merkwür-
digen Schicksale dieses prächtigen Altarwerkes, welches (sc. die
Hutzentafel) bei der Bilderstnrmerei naeb dein NatSprotokoll
„dem Mathäus Lanpin (Land, Laup, nachmals Lnpin re. —
Ulmer Gesckleäck) vergönnt war, zur Hand zn nehmen" sind
a. a. O. eingehend mitgeteilt. Von all den anderen etlichen
60 Altären liegen (mit etwaiger Ausnahme des am Kreuz-
altar jetzt befindlichen Gemäldes) nicht einmal mehr nachge-
wiesene Bruchstücke vor; wohl befinden sich da und dort Ge-
mälde, Skulpturen rc. aus der schwäbischen, bezw. Ulmer
Schule, welche aus dem Ulmer Münster herstammeu sollen,
wie z. B. der in der Pfarrkirche zu Wibliugen hängende
großartige, ergreifende Kruzifipus, allein festgestellt ist diese
Provenienz nirgends. Ein gründlicher Kenner der Ulmer
Kunst- und Baugeschichte, Professor E. Manch, macht eine
allgemeine, recht zutreffende Bemerkung in dieser Richtung,
wenn er sich dahin ausspricht, daß der Bildersturm ein solch
reiches Feld hatte und so umfangreich war, daß Spezialitäten
gar nicht verzeichnet wurden. Es läßt sich hiemit über die
einzelnen Altäre in Beziehung auf deren Aussehen, Aufbau,
Ausstattung und Ausschmückung weder auf Grund Augen-
scheins noch von Ueberlieserungen und Berichten mehr etwas
sagen; man wird sich dieselben in gotischem Stile zu denken
haben; und u. a. annehmen dürfen, daß die Heiligen, welchen
der einzelne Altar gewidmet war, aus demselben, sei es in
Malerei oder Skulptur w., ihre Darstellung gefunden haben;
und wenn man von dem eben beschriebenen Schafsnerschen
Altar aus in Verbindung mit der damaligen Blütezeit der
Kunst und der Opulenz in der Ausschmückung schließen darf,
wird man mit der Annahme, daß hier Kunstwerke eu müsse
beisammen waren, nicht fehlgehen und muß dieser so überreich
und herrlich anSgestattete Tempel mit seinem Altar- und Bildcr-
schmuck, mit seinen Wandgemälden, mit seinen Schnitzwerken,
Fahnen, Teppichen, Wappenschilden und gemalten Fenstern auch
im Innern einen prachtvollen und überwältigenden Anblick ge-
währt und dieses Gotteshaus zu den grandiosesten Denkmalen der
katholischen Kirche gehört habe». So erbaut und eingerichtet sah es
im Jahre 1492 der römische König und nachherigc Kaiser Maxi-
milian I., der Gönner Augsburgs uud auch Ulms, als er auf
der Schwelle der Portalthüre, dieser iu Wahrheit „schönen
Pforte" stand und das unvergleichliche Innere gleichsam mit
einem Blicke bewundernd auffaßte. Auch hoch oben hinauf auf
Turmes Höhen — das Viereck, also die Hälfte seiner projek-
tierten Höhe stand damals schon — stieg „der letzte Ritter"
und überschaute den stolzen Münsterbau, die Stadt uud
schwäbische Landschaft, welche gegen Mittag von den fernen
Tiroler-, Vorarlberger- und Schweizerbergen abgeschlossen ist,
gegen Abend den Zusammenfluß des Bergstromes der Iller
und der Blau mit der Donau und letztere so vereint gegen Morgen
wie einen Silbersaden durch ihre Thaler in der Richtung
gegen die „alte Kaiser-Stadt" sich schlängelnd zeigt, während
die Aussicht gegen Mitternacht durch die nahen Berghöheu der
schwäbischen Alp begrenzt wird. Im Entzücken über all diese
Augenweide stellte er sich in seiner bekannten Kühnheit uud
Schwindelfreie au die äußerste Grenze des Turmplateans und
drehte sich frei auf dem Absatz herum! — Die gewaltige
Kirche blieb nach dem Bildersturm eine Zeit laug ohne allen
und jeden Altar ganz öde und leer; einzig und allein wurde
an die Stelle des früheren „Kreuzaltares" ein Tisch zur Abend-
mahlspende gestellt; über das Interim i.J. 1548 mußten aber auf

B.efehl Kaiser Karls V. wieder zwei Altäre errichtet we^
der eine (Fronaltar) am Chorschluß mit einem schönen KP
zisixns, welcher dann zu Beginn dieses Jahrhunderts ^
Schafsneraltar Platz zn machen hatte, der andere am

eingang mit einem das Abendmahl vorstellenden, wohl ^
einem früheren Münsteraltar herstammenden Gemälde ^
Haus Schäuffeliu vom Jahre 1515, welcher jetzt noch !,
dieser Stelle steht. Der allerletzte katholische Gottesdienst )
Münster fand im Jahre 1554 statt. Dann ward und im.
dasselbe protestantisch. Als katholisches Gotteshaus ww' ^
entstanden, als solches hatte es, bis zu den Türmen auig^^
iu großartiger innerer Pracht und Herrlichkeit nahezu aistH

großartiger
halb Jahrhunderte bestanden; als protestantischer Tempel))H
es über 300 Jahre nnausgebant dastehen! Mit der
matiouH war nämlich nicht nur das Innere des Domes
damit die Blüte altschwäbischer Kunst zerschlagen und
nichtet, sondern auch unter sichtlicher Nachwirkung
himmelschreienden Verwüstung dec Sinn für das gewaltig .
habene Bauwerk erkaltet und ruhte jede weitere BaulhatG^
so daß dasselbe — ohne Chortürme und Strebebögen, ^
herrliche Portalhalle Einsturz drohend, der Kranz des
zerfallen — mit der Zeit nach und nach zu einer Nul"k st
werden drohte und den Eindruck eines „großen TrauerdenknG ^
machte, sowie man sich wegen seines ferneren Schicksales
kurz vor Inangriffnahme der großen Restauration mit n
Hand Gedanken trug, welche heutzutage nicht mehr gerR ^
hört werden. So schlief das Münster gleich dem verzag
Dornröschen über drei Jahrhunderte laug, bis der wG^
wachte Sinn für das deutsche Mittelalter auch iu
Begeisterung auf die altehrwürdige unvollendete Gvtted
leickte. (Schluß

Miszellen.
Schein trügt! Nirgends trifft dieses Sprichwort, und zwM h,>
stäblich, mehr ein, als bei Gemälven und Altertünielst'^
deren Begutachtung, Wertung n. s. >v. man sich nicht genug T /
nehmen und nicht vorsichtig genug sein kann. Wie leicht man N ^
diesem Gebiete täuschen und getäuscht werden kann, das
seinem Schaden und Spott selbst ein Mann wie der rühmlichstchZAf
Kunstkenner und Maler von Profession, Georg Friedrich —
Direktor der K. Gemäldegalerie zn Berlin, erfahren. In seinen
über die Gemäldesammlungen Englands schildert Waagen näinlmß,ch>>
anch die Galerie des Grafen von Normanton-Somerley stw
die in derselben befindlichen Gemälde von Claude Lorrain, Grcm
Josna Reynolds anszerordentlich als Originalbilder. Es stellte
heraus, das; alle die Original-Claudes, Reynolds ic. von einem
englischen zn Waagens Zeiten lebenden Maler Mr. Jos. "Höchst
ans Verlangen Lord Normantons angefertigt bezw. kopiert ^ ß
Letzterer, so schrieb Powell an die „Morning Post", habe g"st^ chfj
Absicht gehabt, die Bilder für Originale anszngeben, außer
dann und wann einen orakelhaft sprechenden Kunstkenner uUßchZfell,
ans den Leim zn locken. Herr Waagen ist anch nicht ohne
geblieben. Die tragikomische Geschichte mit den famosen >>(
Altertümern" ist noch in aller Erinnerung. Wenn solche Mitzg^ßWß
Jrrtümer Männern von Fach und dazu noch in so daher
unterlaufen, wie mag es dann erst bei den gewöhnlichen KlUlstw ^ iß
Sammlern und Händlern anssehen: und hier könnten wir
wahrhaft haarsträubenden Geschichten (von den Schuhe» des „ ^
Inden" bis zum Nachtstnhl Karls des Großen) anfüllen- st.
° Der Name Elch. In Liitanen, Sibirien, Schweden tzß iß
Elche noch gehegt und Elchjagden gehalten. Bei uns erinnstH
verschwundenen Elch nur noch bie Ortsnamen: Ellwangen (ckä'R'Mhck
Alfdorf (Alchdorf), Ellinghofen, Ellbach, Ellweiler, Ellenberg,
Elchingen, Elchenrente bei Waldsee. ^
-
H „Die Banpfleger sollen den Turm mit wenig Kosten Aß
bewahren" — so lautete ein charakteristischer Protokolleintrag ßst Kc>^
1529; und damit war genng gesagt, d. h. die Einstellung d^
ansbanes ausgesprochen.

Stuttgart, Bnchdruckerei der Aktiengesellschaft „Deutsches Volksblatt".
 
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