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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 12.1894

DOI Artikel:
Weiß, Josef: Maximilian Ernst, Graf zu Oettingen-Baldern, als Student zu Ingolstadt 1665-1667, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15916#0098

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habe». Hab also Herr» Grafe» mit diese» Formalworte»')
4 oder 5 »lal gebeten: „Bruder, ich bitte Dich, auf daß wir
weiter gute Freund und Bruder verbleibe», wie wir sind, so
strafe Deine» Diener der mir angethanene» Injurie» halber,
damit wir selber nicht durch einander kommen!" Darauf
Herr Graf mir geantwortet, es sei ihn, nicht gelegen, seine»
Diener zu strafen, er wisse schon wann er seinen Diener
strafen solle. So Hab ich ihn zum letztenmale gebeten mit
diesen Formalien: „Bruder, ich bitte Dich, strafe Deinen
Diener oder ich wcrd gezwungen, daß ich ihn strafen muß."
Darauf er mir geantwortet: „Thne es!" So Hab ich dem
Diener in das Gesicht geschlagen, der Diener aber hat den
Augenblick wieder nach mir geschlagen und de» Degen zugleich
gezncket und ans mich losgcgangen. So Hab ich den Degen
auch entblößet, cunr Uekensio sit juris nnturnlis, und mich
zur Gegenwehr gestellet gegen den Diener, dem ich aber kaum
mit meinem Degen — welcher ein Stoßdegen ist und eben
derselbe, den ich mit mir hergcnommcn — 2 oder 3 gute
Streich über den Arm gegeben, daß er seinen Degen müssen
sinken lassen (ich hätte ihn wohl stoßen können, welches ich
aber zu Verhütung eines größeren Nebels nicht thnn wollen),
so ist sei» Herr auch schon mit bloßem Degen ans mich zn-
gegangen und gegen mich gestanden, dem ich auch gleich so
wohl mit der Gegenwehr begegnet und ihm »ach wenigem
scharmnzieren bald mit der Flache meiner Klinge einen
solchen Streich über den Kopf gegeben, daß er vor mir anf
den Boden gefallen. Kaum war Herr Graf Nothafft auf den
Boden gefallen, da kam mein Diener auch Hinz» mit bloßem
Degen. Darauf mich Herr Graf mit diesen Worten liegend
anf der Erden anschrie: „Bruder, hast du gleichwol das
Herz, weil nunmehr 10 über 1 wären?" Darauf ich ihm
geantwortet: „Es wäre mir,-keine Ehre nicht, wenn ich mir
zu Dir einen Gehülfen verlangte." Und wandte mich zugleich
um in Meinung, es möchte vielleicht Herr Graf Preysing und
die anderen, die zuvor bei unserem Hans gewest, nach ge-
hörtem Tumult hergekommen sein, mir zu helfen, welche ich
aber anreden wollte: sie sollen es bleiben lassen, er könne
mir nichts mehr thnn, weil er schon vor nieinen Füßen läge.
So war es aber Niemand als mein Diener und ihrer waren
wohl über 8, die mit bloßen Degen hinter dem Herr» Graf
Nothafft waren, ihm zu secnndierem, auf welche auch mein
Diener zngeloffen. In diesem Uinwenden und Umsehen aber,
da ich meine» Diener mit diesen Worten rief: „Franz!",
so führet Herr Graf Nothafft (den ich liegend anf der Erde
in meiner Gewalt gehabt und gleichwohl nit mehr als einen
einzigen Streich gegeben und noch anf den Kopf) unversehener-
weis heimlich, da ich nach meinem Diener rufe, einen Stoß
anf mich, welchen ich gleichwohl zu meinem Glück noch er-
sehen, den ich mit einigem Znrücksprnng und Ausschlagen der
Klingen gleichwohl soviel parieret, daß er mir doch ein wenig
in den Hals gegangen. So Hab ich ihn wegen Fließung des
Blutes aber nicht prosequieren können, sondern habe mich
nmgewcndet und bin nach Hans gegangen mich verbinde» zu
lassen. Gleich nachdem ich aber weggegangen, ist mir Herr
Graf Fux begegnet, der, wie er mich blutig gesehen und von
mir gehöret, ich sei gestoßen worden, ist er hin zu Herrn
Graf, Nothafft geloffen, ihm hoch verwiesen, daß er mich so
schelmischer Weise geflossen, und hat ihn gefordert, daß er
dies redlicher Weise mit ihm austrage, was er mir schelmischer
Weise gethan; dem aber Herr Graf Nothafft entwichen und
in das Haus gegangen und also entsprungen. Den andern
Tag in aller Frühe ist uns der Arrest angesagt worden bis
0 „Koi»»icnti»äßig" sagte man heute.

zu dem Anstrag der Sachen, welche sich mit dem Vergleich
geendet."
Ein anschauliches Bild damaliger studentischer Gesittung!
Um den schlimmen Eindruck, den diese Geschichte bei dem
ohnehin schon mißtrauisch gewordenen Vater Hervorrufen mußte,
abzuschwächen, erzählte Map Ernst, daß er jetzt gar eingc-
zogen lebe, sich des Weines gänzlich enthalte, und bat um
seine Abberufung ans Ingolstadt, da die Kollegien Or. Raths
schlössen (ordentl. öffentl. um 20 Thlr.), ebenso auch in einigen Ta-
gen seine jnrist. Privatrepetitorien bei dem Kandidaten Widemann
(um 9 Thlr.); zugleich frng er an, ob er zur Heinireise ein Pferd
oder um 6 fl. eine Kalesche nehmen solle. U. Tauner und
M. Ziegler unterstützten dieses Gesuch. In Katzenstein aber
herrschte eisiges Schweigen. Man wußte dort wohl, daß eine
solche Abberufung immer eine Art LoSkanf aus den Händen
der Gläubiger zu bedeuten habe. Und gerade diesmal waren
die Rechnungen besonders reichhaltig geworden. Anf dem
Kostzettel der Hausfrau standen: „2 Kapaunen und 1 Henne
in der Kur, da der Herr Graf gestochen worden — 1 fl.
24 kr."; ferner um 5 fl. 34 kr. „Apothekensachen (Terpen-
tinpillen zweimal — 48 kr., Ordinaripillen — 56 kr., Weißes
Kampfersälbel — 20 kr., 2 Pnrgativnen, Rosenöl, Holippen)".
Auch die Schnsterrechnnng war hoch angelanfen: am 7. März,
9. April, 25. April, 23.'Mai, 12. Juni, 30. Juni, 25. Juli
und am 18. August immer ein Paar Schuhe zu 1 fl. 30 kr.
Zn allem kam noch eine Forderung des Wundarztes von
10 fl. 30 kr. „wegen Cnrierung am Hals durch die Gurgel
einen gefährliche» Stich, für alle hergegcbene innerliche sowohl
als äußerliche Medicamenten, Sorg, Mühe und Gäng". Daö
müßige Leben während der schon begonnenen Ferien drohte
den jungen Grafen vollends zu einem verbummelten Studenten
zu machen, wie ans einem Briefe der Kostfran nach Katzcn-
stein erhellt: „Ihr Gdn. Herr Sohn macht mir auch zum
öfter» die Zeit lang, wann er so melancholisch und betrübt
hernmgehet, zumal wohl von nöten sein wird, Jhro hochgräfl.
Gdn. Herrn Sohn nach Hans lassen abholen, weil er wieder
ganz ausmontieren braucht in Kleidern und Leinwand. Und
sonsten keine Ansprach hat er auch nicht. Mit Geld ist er
auch nicht versehen, daß er zu Zeiten könnte ansreißen. Was
zu der größten Notdurft ist, Hab ich derzeit hergeliehen;
weiteres will sich mein Säckel nicht erstrecken. Ich Hab oft
ein groß Mitleiden mit ihm gehabt, wann er so betrübt ist
hernmgegangen, wiewohl er doch alle Tag dabei etwas ge-
studiert hat. Aber es geht halt nicht so ein, als wann die
Studie völlig sind." Noch erbaulicher aber lautete das
Schreiben, welches einen Tag später eigens ein Bote vom
akademischen Senate dem Vater überbrachtc: „Euer Gdn.
können wir länger und zwar bei diesem eigens abgefertigten
Boten (dem dersetbig sein verdientes Lanfgeld hoffentlich nicht
verweigern wird) nicht verhalten, was maßen dessen Herr
Sohn Herr Graf Maximilian Ernst in seinem Allhiesein sich
sehr sträflich und übel verhalten thuet, indem selbiger gleich-
sam Tags und Nachts nur anf der Gassen und zwar meisten-
teils ohne einigen Diener, auch in schlecht und übel anstän-
digem Aufzug mit schlechter Condeeenz seines Grafenstandes
(zngeschweigen, daß er wie vorkommt auch in die Schlupf-
winkel einznschliesen pflegt) umlauft und sich bei allerlei ge-
fährlichen und weit anösehenden Sachen und Nanfhändeln
einfindet, folgendS nicht allein die liebe Zeit und Unkosten
ohne Frucht und Reputation neglegieret und verzehret, son-
dern auch unsere beweglichen Erinnerungen »nd Bestrafungen
ihm keine Warnung sein lasset, daß wir also bei so gestalten
Dingen und gefallener Hoffnung der gebührenden Emendation
genügsame Ursach gehabt hätte», gegen denselben den vor-
 
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