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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 13.1895

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Beck, Paul A.: Vor hundert Jahren - die Franzosen in Oberschwaben bezw. in St. Christina, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15914#0117

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befände» sich auch die wie i» Konslnuz de»
29. März I7r6 eingehändiglc» Priester-Seel-
svrgS-Fvrnialc. — Besonders artig tvar die Ein-
teiluug so zerschiederier Subjekte zürn Genuß
der Nachtruhe. Im vordersten kleinen Gast-
kä»unerl schlief der Offizier im Belte und neben
ihm ans dem Bvden der Bediente. Dicht am
crstcren, nnnilich in des Herrn Pfarrers eigener
Kammer lag ich so nahe, daß ich jeden Alhem-
zng meiner Nachbarn hörte. Im Wohnzimmer
selbst, ans einem zwischen etlichen Sesseln er-
richteten elenden Lager schnnrchle Herr Hans-
Patron in beständiger Abwechslung von Forte
und Piano seine Solos, klebriges St. Christi-
nerpersonnl übernachtete teils in der unteren
Stube, teils bei gute» Leuten in der Stadt. —
Am Dienstag den 4. Oktober an St. Franzens
von Ässissi Tage, ward bei den k. r. Kapu-
zinern in Ravensburg nichts Festliches gehalten.
Da diese armen Geistliche schon letzten Freitag
von den Patrioten überrumpelt und aller ihrer
Biktnalien beraubt worden, so mußten die meisten
derselben selbst ihre Nahrung bei wohlthätigen
Hausvätern, den Herren Benefiziatcn in Ravens-
burg suchen. Noch durfte keine Glocke nngezvgen
werden, nicht einmal bei der Leiche, welche
heule nachmittag vhne Sang und Klang am
Pfarrhose vorbei ans den Gottesacker getragen
und von nur etlich wenigen Mcnschen dayin
begleitet ward. — Gleich nach eingenommenem
Frühstück (Brot, Wein und Käs) entschloß sich
unser Offizier, ans die Bille mchrgemeldeten
Herrn Sladtamnianns sich persönlich in Be-
gleitung meiner Köchin und meines Knechts —
ich selbst konnte hiezu nicht beredet werden —
nach St. Christian zu begeben und dasclbige
Bcrwüstung zu beaugcuscheinigeu. Wider all'
seine Erwartung traf er da im Pfarrhof sowohl
als und zwar vorzüglich in der Kirche den
schrecklichsten Zustand an. Wiederhvltcmnle soll
er mit dem Fuß die Erde bsstampft und laut
nnfgerufen haben t „Oh! »it Patriot! Tyrann!
Barbar! le cllabollgue! rc." Gegen 12 Uhr,
ans welche Stunde er zuvor mit seinem Finger
ans der Haugnhr die Essenszeit anbcslimmt Halle,
kam er zurück, ließ mir durch seine» Dolmetscher
Herrn von Ortlicb seit! innigstes Beileid über
mein erlittenes Unglück kvntesliercn, auch ver-
sichern, daß, wenn die Urheber und Teilnehmer
der verübten Gräuel namhast gemacht würden,
welches aber kanm zu erwarten, selbe streng
bestraft werden würden. Sv nun gehöre halt
das Unheil zu all' anderen, vorn Kriege nie
lrennbarcn UnglückSsnlle»! Heute wurden wieder
einige Kleinigkeiten von Möbeln eiugebracht.
Nach dem Mittagessen machte der Oifizier, vom
Herrn Pfarrer begleitet, einen Spaziergang nach
Weißenau, besprach sich daselbst, da er beim
gnädigen Herrn nicht vorkam, mit unserem Herrn
Konsulenten, über den er nachher viel Rühm-
liches sagte und kehrte gegen 6 Uhr abends
wieder zurück. Mein Knecht, der mit einer»
leeren Hnndkorb die Spaziereugehenden begleitet,
brachte bei dieser Gelegenheit zum heutigen
Nachtmahle etwas Schasfleisch, da platterdings
in der Stadt kein Fleisch mehr zu bekommen
war, mit sich. Wir erfuhren auch, daß unser
gnädiger Herr bereits de» französischen Generäle»
im „Rahlen" aufgewartct und mit sehr tröstlichen
Zusicherringen von selben wäre entlassen worden.

Folgenden Mittwoch de» 5. Oktober in der
Frühe zwischen 9 und 10 Uhr geschah ganz un-
vermutet der gcwiiuschle Aufbruch sämilicher in
und nur Ravensburg gelagerter patriotischer
Truppe». Die überall ertönenden Trompeten-
stöße kündigten den Abmarsch feierlich an, vor
dessen Eintritt ich immer, doch gottlob vhne
Erfolg, nichts gewisseres gefürchtet habe, als eine
über Bausch und Bogen noch vorzunehmeude
Uuiversalplündernug! Der Zug ging in vieler
Eile dem Gnlgeubcrg und von da Markdorf und
SalmanSweiler zu. Gleich nachmittags ward
vieles für die Franzosen vorbereitetes Fleisch
zn den Thoren hereingelrageu und an die Bürger
um ganz wohlfeilen Preis verkauft. Man trug
es zn ganzen und halben Vierteln herum. Ich
spürte in meinem Magen weder in der Ferne
noch in der Nähe den mindesten Appetit dazu.
Schon gegen 3 Uhr nachmittags rückten von
Wangen kaiserliche Soldaten in die Stadl und
kündigten, nachdem sie die Sladtihore besetzt,
ans künslige Tage noch mehrere und zahlreichere
Durchmärsche an. Die vollständige Beschädigung,
die in verflossenen Tagen der Pfarrkiiche und
Fabrik, dem Pfarrvikar, dessen Pfarrhof, den
dortigen Domestiken rc. zngefügt worden, kann
ganz genau nicht wohl bestimmt angegeben
werden.
Soviel ist »ach zweimal und zwar nur
oberflächlich gemachter Berechnung gewiß, daß
selbe an barem Gelds, an weggcnommeueii Vor-
räten von Wein, Möbeln, sämtlichem Küchen-,
Keller-, Stall- und anderem Geschirr und was
die nach der Hand vorznuchmenöen Reparationen
betreffe», eher mehr als nur 6000 fl. beträgt.
Freilich zeigte es sich nach der Hand nur gar
zu handgreiflich, daß auch andere als nur
Patriotenhände und geradezu solche, denen cS
vorzüglich übel anstund, sich ins Geuiengsel ge-
mischt, niitgestvhlen und milgenianset haben.
Vielleicht wollte auch da die Nolle des Fugger
Hundes nvchtiials produziert werden?! Pfui!!
Die Excuse: man hält's der, Franzosen abge-
kauft, paßt einmal auf den Manu nicht, der nach
eigenem Geständnis kein Geld hat!!!
Geschrieben
im Neichsstifte Weissenan
den 12. Oktober 1798.
Der schwer heiuigesnchte Pfarrherr widmet
den verhaßten Franzosen, die ihm so übel mil-
gcspielt, dann noch folgenden poetischen An-
hang:
Der Teufel ein FranzvS.*)
Dem dloirsieur Teufel ward die Weil im Tar-
tarus zn lauge! . . .
Was thnt er? — Ha! ich kehl' zurück, spricht
er, in meine Welt.
Er sagl's, er thut's! Wo fährt er hin?! Bein,
Henker! in die Schlange!
Oh nein! DieS thnt er g'wißlich nicht; dies
wäre weit gefehlt.
*) DieS Carmen hat der Skribent, als er
unten am St. Christiuerberge vvrüberging, ver-
fertigt nur 24. Brachmonals 1798.
 
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