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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 13.1895

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Stengele, Benvenut: Das Kloster Gerlachsheim im Taubergrund
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https://doi.org/10.11588/diglit.15914#0188

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wurde der hl. Leib nachmittags 4 Uhr,
eine Stunde nach seiner Ankunft, vom
Abte reu Zell in Pontisikalkleidung in
einer feierlichen Prozession von Gerlachs-
heiin ans abgcholt; unter Gesängen,
Glockengelänte und Böllerschüssen trugen
ihn vier Priester in Levitenkleidern unter
einem von sechs angesehenen Bürgern ge-
haltenen Baldachin zunächst vor den fest-
lich geschmückten Krenzaltar. Daselbst
verblieb er während der Nacht, die das
von Andacht entflammte Bolk im Vereine
mit Geistlichen des Klosters in der statt-
lich geschmückten und erleuchteten Kirche
zubrachte. Andern Tags — es war ein
Sonntag — hielt der hochwürdigste Weih-
bischof von Würzbnrg zuerst eine feierliche
Prozession im Orte Gerlachöhcim ab,
sprach hierauf in begeisterter Predigt über
den neuen Schutzheiligen und celebrierte
dann, ungeachtet der voransgegangenen
Anstrengung, selbst das Hochamt. Der
hl. Leib wurde von seinem provisorischen
Aufbewahrungsorte erhoben, in solenner
Prozession innerhalb der Kirche hernmge-
tragen und sodann von dem mit dem
Pluviale bekleideten Weihbischofe unter
Assistenz der Prämonstratenser-Aebte von
Zell und Ilbenstadt, am Bestimmungsorte,
dem Mnttergottes-Altare feierlich beigesetzt,
wo er sich noch befindet. Hiermit war
jedoch die Feierlichkeit noch nicht beschlossen.
Die ganze Woche hindurch wurden noch
kirchliche Festlichkeiten mit Aemtern,
Predigten und Andachten gehalten. Am
Hanptfeste selbst hielt noch nachmittags
der Abt von Zell eine glänzende Rede
vor einer ungeheuren Volksmenge; am
14. September, wo ohnehin wegen des
Krenzfestes viele Andächtige herbeieilten,
wnr^e am Vormittag Amt und Predigt
vom Abte von Ilbenstadt in der Wetteran
übernommen, während am Nachmittage
?. Valentin Langenberg, Chorherr zu Zell,
die Frührede hielt. Bei der Schlnßfeier
am Oktavtage predigte früh der Snbprior
von Zell, während der Pfarrer Noll von
Königshofen das Hochamt hielt; nach der
nachmittags von ?. Milo Rockhell, Vor-
stand des Klostees Gerlachsheim, ge-
haltenen Predigt war noch eine feierliche
Prozession um das Kloster und wurde
mit dem De Oeum die ganze achttägige
Feier der Uebertragnng des hl. Leibes be-

schlossen. Der Zudrang zu derselben und
namentlich zum Empfang der hl. Sakra-
mente war ein außerordentlicher und blieb
diese lange Zeit in lebendiger Erinnerung
Aller, die daran Teil nahmen. AnS nah
und fern kamen Gläubige zur Teilnahme
am festlichen Gottesdienste und znm Em-
pfang der hl. Sakramente. Die Kloster-
obern sahen sich deshalb veranlaßt, auch
an Sonn- und Feiertagen den hl. Leib zur
Verehrung ansznsetzen. ^Die Stürme, die
zu Anfang des 19. Jahrhunderts über die
Klöster hereinbrachen, lösten mit dem
Kloster Oberzell auch dessen Filiale
Gerlachsheim auf. Letzteres wurde mit
dem vorhin würzburgischen Amte Grüns-
feld zunächst den Grafen von Salni-
Neifferscheid-Bedburg als Entschädigung
zngewiesen und bildete einen integi ierenden
Bestandteil des nenerrichteten Fürstentums
Krantheim. Der Fürst von Krantheim
verlegte in der Folge in das Klvsterge-
bände seinen Wohnsitz, bis er eö im Jahre
1846 mit seiner ganzen Standesherrschaft
au das Großherzogium von Baden ver-
kaufte. DaS Kloster ward nun den Be-
amten der dortigen großherzoglichen Be-
hörden zur Wohnnncch) angewiesen
In den 60er Jahren wurde das Bezirks-
amt aufgehoben, später auch das Amtsge-
richt. Vor etwa zwanzig Jahren ward
im ehemaligen Klostergebäude eine Tanb-
stnmmen-Anstalt nntergebracht. lieber 100
Zöglinge erhalten daselbst eine vortreffliche
Bildung und gute Erziehung.
Der ehedem so belebte Ort Gerlachs-
heim ist nun überaus still und ruhig.
Die Bewohner, religiöse und fleißige
Leute, treiben zumeist Landbau; mit be-
sonderen, Eifer und Geschick pflegen sie
die Weinberge, und gehört der Gerlachs-
heimcr Wein unstreitig zu d u besten und
gesuchtesten des ganze» TanbergrnndeS.
A n mcrknngen.
') Den Reliquien ist eine sogen. Blnlampnlle
beigegcbeu. Diese — eine Schale, worin man
Blut des Märtyrers dem Grade in den Kata-
komben beisetzte, wurde mit dein heiligen Leibe
in, Katakombengrabe vorgefnndcn. Neben der
recbten Hand ist die Blntschale beigelegt.
Vom ehemalige» angesehenen nnd reichen
Kloster haben die Gerlachsheimer nur die Kirche,
leider aber ohne überkommenes Vermögen, so
das, die Unterhaltung des großen Baues dein
wohllhätigen Sinn und der Gemeinde zur Last
bleibt. Dank dem Kunstverständnis mehrerer
 
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