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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 13.1895

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Mone, Fridegar: Kritik der Wappen der Minnesinger aus Schwaben, [24]: ein Beitrag zur Geschichte der christlichen Mystik in Schwaben und Alamannien
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https://doi.org/10.11588/diglit.15914#0198

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Klingenberg, alias Kanzler gcniannt, oder
den Beringer von Horheim oder den czuasi
Wolfram von Esckilbach für den Verfasser
des „Sängerkrieges ans der Wartburg"
zu halten. Möglich ist eS auch, daß die
drei daö Gedicht mit einander fabrizierten.
Daß der unter dem Namen des unter
Nro. 72 als KlingSor ans Ungarland
auftretende Philosoph nicht der im Parzival
als Klinschor vorkommende Zauberer ist,
kann ebenso wenig bezweifelt werden.
Denn ein Zauberer paßt nicht, in die
Disposition jenes Wettgesanges. Der
KlingSor ist ein erdichteter Name für eine
erfundene Person. Zu dieser Letzteren hat
der Bischof Klingenberg den Stoff oder
das Substrat oder Sujet geliefert. Klings
—or von oros, der Berg, scheint sogar
eine Uebersetzung von Klingeuberg zu sein.
Daß jener Bischof und Kanzler wußte,
daß das griechische Wort oros Berg be-
zeichnet, darf man ohne Bedenken an-
nehmen.
Wichtiger als diese etymologische Be-
weisführungen sind die Thalsache», daß
religiöse oder kirchliche Prinzipien, politische
Grundsätze und soziale Anschauungen im
Wartburgkriege von den darstellenden
Dichtern und Denkern vertreten werden,
welch Letztere als vel cxuasi Eschenbach,
als KlingSor, als Oflerdingen, Tannhnser
kostümiert figurieren. Auch dafür hat
man Anhaltspunkte, auf welchen ein Be-
weis aufgebant werden kann. Es handelt
sich um die in episch-dramatischer Form
durchgeführte Idee des Kampfes oder
Streites der gelehrten Theologen (Schul-
pfafsen) und der praktisch religiöseuMenschcn
(Laien und sogen. Meßpfaffen). Das ist
der Gegensatz der Theorie der christlichen
Offenbarung und Lehre zu der Praxis des
christlichen Lebens.
Das Gedicht vom Wartburgkrieg sowie
sein Verfasser sind bisher sehr verkannt
worden, weil man die Tendenz jener
Dichtung nicht herausfand oder ignorierte.
Will). Scherer sagt a. a. O. S. 196,
das Gedicht sei „noch kirchlich oppo-
sitionell". Und Seite 217 schreibt er:
„Ans dein Kreise dieser Sänger (Spielleute,
Gumpelmänner, fahrende Dichterlinge,
Vaganten, Bacchanten, wie der Marner)
ist das Gedicht vom Wartburgkrieg ent-
standen." DaS ist unrichtig. Der oder

die Verfasser waren sehr bewandert in der
poetischen Littcratnr der Deutschen des 12.
und 13. Jahrhunderts und standen dem
religiösen und kirchlichen Leben der
Deutschen nahe. Sie waren auch Politiker
und Staatsmänner. Sie haben, oder
wenn nur Einer der Verfasser ist, er hat
den durch das ganze Mittelalter sich hin-
ziehenden Streit und Gegensatz zwischen
Schulpfaffe (gelehrter Theologe) und Meß-
pfaffe, sacerckos simplex, der nicht
predigen, nicht Beicht hören und keine
Sakramente spenden durfte, sehr wohl ge-
kannt und in der Form eines poetisch-
musikalischen Wettstreites eingekleidet. Zu
den Meßpfaffen gehören vor allem die
Mystiker, die gläubigen, frommen Laien,
wie Priester, die Beginnen und Begharden.
Dieser Streit zieht sich durch das ganze
Mittelalter bis auf Dr. Martin Luther
hindurch. Die verschiedenen Phasen jenes
Kampfes, der eine weltgeschichtliche Be-
deutung hat, knüpfen sich an die Namen
von Heinrich von Berg, genannt der selige
Suso, gest. 1365, an Nulmann (Hierony-
mus) Mcerswin (Fischer), Johannes
Tanker, gest. 1361, Thomas von KempiS,
gest. 1471, Johannes Gerson, cloctor
diristianissiirrus, gest. 1429, Johannes
Geiler von KaiserSberg, gest. 1510 und
andere. — Geistig hervorragende Männer
haben in allen Jahrhunderte» jene Gegen-
sätze zu versöhnen gesucht.
Nach dieser Auffassung ist der Wart-
burgkrieg eine populäre in poetische Form
eingekleidete Darlegung der im 13. Jahr-
hundert schon vorhandenen und in Deutsch-
land stark hervortretenden Gegensätze der
gelehrten Theologie und des praktischen
Christentums des theologisch weniger ge-
bildeten Volkes. — In den Darstellungen
der bildenden Künste finden sich schon im
13. und 14. Jahrhundert Bildwerke, welche
den Schulpfaffen und den Meßpfasfen,
den studierten Theologen im Gegensätze
zu dem „Laien-Mnnd" und Priester oder
Einsiedler anschaulich machen. Ich erinnere
nur an die zwei Figuren zur Krönung
der Docken am AbtSstnhle zu Maulbronn,
wo der Schulpfaffe am Stallnm für den
Pfingst-Cyklus (hl. Geist) und der Meß-
pfaffe beim Oster-CykluS dargestellt ist.
(Fortsetzung folgt.)
 
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