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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 6.1861

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https://doi.org/10.11588/diglit.13515#0082

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Bild im Grunde verdiente. Von außerordentlicher Wir-
kung war „der heimkehrende Krieger am Grabe seiner
Eltern". Zu seinen besseren Leistungen gehört noch „ein
vom Blitz erschlagener Schäfer". Eine gewisse peinliche
Sentimentalität konnte Becker nie los werden. Seit er
1840 nach Frankfurt, wo er auch vorher bis 1833 sich auf-
hielt, zurückgekehrt ist, scheint der Künstler in's Kleinliche
hineingerathen zu sein. Gerühmt werden mehrfach seine
Aquarellzeichnungen.

Weniger bekannt als Becker ist sein Busenfreund der
harmlose Jakob Dielmann (geb. zu Sachsenhausen
1810), der nur idyllische Scenen aus der Gegend der
Lahr, des Taunus, des Rheins, des Westerwaldes sich zur
Darstellung erlesen hat. Dramatische Bewegungen, Ge-
müthsergießungen flieht er, die Landschaft überwiegt bei
ihm die Handlung und die Personen. Seine Bilder sind
in Auffassung und Ausführung bis ins kleinste Detail
mit Liebe durchgebildet. Wie Becker ist Dielmann ein
ein tüchtiger.Aquarellist, und der Ton dieser Technik hat
sich selbst auf seine Oelbilder übertragen. Die von ihm
gewählten Situationen sind, wenn man will, sehr unbe-
deutend: — Vogelschießen^ Kirchweihe, Weinlese, Dorf-
berathungen — viel weiter erstreckt sich sein Kreis nicht.
Reizend soll er das Kinderleben aufzufassen verstehen.
Wie er mit Becker von Frankfurt kam, so ist er auch mit
ihm dorthin zurückgekehrt.

Im Gegensatz zu Dielmann hat Louis Knaus (geb.
zu Wiesbaden 1829) des Landlebens eckige und schroffe
Seiten scharf erfaßt und ausgeprägt. Als Künstler steht
Knaus weit höher als seine Vorgänger, da er gesunder
und naturwahrer, seine Charakteristik gediegener, sein
Zdeenreichthum bedeutender und seine Farbe kräftiger ist,
als die ihrige. In letzterer Hinsicht gehört er zu den
Koryphäen unsrer Tage. Er hätte nicht nöthig gehabt
deshalb, wie er es gethan, zum Studium nach Paris zu
gehen. Vor dem Grellen und Schreienden, das der Künst-
ler über Gebühr liebt, hat er sich zu hüten. Das beweist
sein in vieler Hinsicht treffliches Bild „die Fortführung
des Grafen Helsenstein durch Bauern, vor denen seine
Frau um Gnade fleht" und die „Darstellung eines Gefan-
genen, der eine Ratte füttert." Ein Haschen nach Kon-
trasten, wie er es liebt, stört den Eindruck. Voll unheim-
lichen Humors ist seine „Dorfspielhöhle"; „die Gerichtsstube"
und „der Jahrmarkt" scheinen einer ähnlichen Geistesrich-
tung zu sein. Als eines seiner besten Bilder kann „ein
ländlicher Begräbnißzug" angesehen werden. Noch bedeu-
tender ist seine „Feuersbrunst". Die späteren, meist klei-
neren Werke zeichnen sich mehr durch geniale Technik und
glänzendes Kolorit als durch Tiefe des Inhalts und Man-
nigfaltigkeit der Komposition aus.

Das ländliche Genre haben auch in einfacher, etwas
kleinlicher Art Christian Böttiicher (aus Imgenbroich
bei Aachen) ein früherer Lithograph und Alfred Brei-
tenstein (geb. in Düsseldorf 1822), ferner der früh ver-
storbene Al. Körner ans Braunschweig, Busch aus
Düsseldorf, Knorr aus Königsberg, Friedrich aus Han-
nover kültivirt. Eine ganze Anzahl Anderer, die nie über
das Mittelmäßige hinausgekommen sind, oder deren Talent
u. Entwickelung noch zweifelhaft ist, haben sich angeschlossen.

Auch das Familienleben der Stadt wußten eine An-
zahl Maler für ihre Zwecke zu verwerthen, ohne daß man
übrigens auch nur von einem Einzigen derselben behaupten
könnte, er habe irgend etwas Bedeutendes hervorgebracht.
Zu den solidesten und verständlichsten unter ihnen gehört
Franz Wieschebrink (geb. 1818 zn Burgstein). Zum
Elegischen neigt Adolf Richter (geb. 1813 zu Thoren)
in den Stoffen wie in der Färbung. Das Drollige liebt
Ludwig Erdmann (gb. 1820 zu Rödeke bei Paderborn).
Ed. Geselschap (geb, 1814 zu Amsterdam), der Auffinder
Mintrops, hat, nachdem er im romantischen Genre, in bi-
blischen Stoffen, in der Geschichte und dem Literaturgenre
umhergegriffen hatte, in Familienscenen sich mit Glück und
Erfolg bewegt. Sein treffliches Kolorit, seine gediegene Zeich-
nung und sorgfältige Ausführung erfreuen das Auge. Eine
Vorliebe hat der Künstler eine Zeit lang für Lichteffekte.
Ein eleganter Kabinetsmaler ist Friedrich Böser aus
Halbau in Schlesien geworden; auch seine Portraits sind,
wenn nicht wahr, doch ähnlich.

Eine rasch vorübergehende Erscheinung war das socia-
listische Genre, das um das Jahr 1840 eine eigne
Geltung erlangen zu wollen schien, zu derselben Zeit
also, wo man die Schattenseiten unsres socialen und po-
litischen Lebens aufzudecken und zu behandeln liebte. Der
Begründer desselben und zugleich der einzige, der fähig
war, dieser an und für sich bedenklichen Richtung eine
künstlerische Seite abzugewinnen, war Karl Hübner (geb.
1814 zu Königsberg). Drei Perioden hat der cigenthüm-
liche, reich angelegte und bewegliche Künstler durchlaufen.
Zuerst arbeitete er ziemlich unbeachtet im idyllischen Genre,
dann wandte er sich dem socialistischen Genre zu und als
er sah, daß es auch damit vorbei sei, verließ er diese
Gegenstände und bearbeitete die Dorfgeschichte. Etwas
Gewaltsames liegt in Hübner's Natur, und nur die Bil-
der, die diesen Charakter tragen, sind ihm gelungen, daher
auch speciell jene Tendenzbilder, die in die Glanzzeit seines
künstlerischen Wirkens fallen. „Die schlesischen Weber",
das erschütternste und gediegenste Bild dieser Gattung,
das er noch vor dem schlesischen Weberaufstande malte,
machte ihn durch ganz Deutschland bekannt. Er hat später
noch mehrere Bilder der Art geliefert, die nicht mehr den
gleichen Anklang fanden. „Der Wilddieb" der auf einen Jä-
ger anlegt, aber von einem Knaben zurückgehalten wird,
ist ziemlich arm in der Anlage und bedenklich in Bezug
auf die Situation. Zu den besseren gehört sein verhält-
nißmäßig mild gestimmtes Bild „die Auswanderer". Eine
im Ganzen ziemlich vollendete Leistung war sein „Exekutor",
ein Gegenstand, der auch von Wilkie behandelt worden
ist. . Ein Glück für Hübner war es, daß Schwung und
Pathos seiner Natur fremd sind, dagegen eine feine, alle
Nebenumstände beachtende Beobachtung ihm so recht; eigen:
wo uns das Ganze äbstößt, können wir daher wenigstens
mit Vorliebe bei Einzelheiten weilen. Farbe und Zeich-
nung sind dem Charakter seiner Bilder vollkommen ange-
messen, des Ausdrucks ist er Herr. Sein Vortrag ist
durchaus anspruchslos. Als Hübner die Tendenz auf-
gab und der einfachen Dorfgeschichte sich wieder zuwandte,
blieb dramatische Bewegung und Erregung doch seinen
Schöpfungen eigen. Besonders gilt dies von der „Rettung
 
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