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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 6.1861

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https://doi.org/10.11588/diglit.13515#0083

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aus Feuersgefahr". Erst ganz zuletzt hat er in der Wahl
der Gegenstände dem Geschmack des friedliebenden Publi-
kums Koncessionen gemacht, seine derbe flotte Malerei aber
zum Glück unverändert beibehalten. Fast alle bedeutenden
und bekannten Maler Düsseldorfs, Lessing nicht ausge-
nommen, haben vorübergehend der politischen Stimmung
und Aufregung der vierziger Jahre ihren Tribut gezahlt.
Ritter lieferte einen „Wilddieb", Becker „einen von
Grenzjägern verwundeten Gemsjäger", Ebers „Schmugg-
ler". Hübner's specielle Nachahmer waren Schwächlinge
durch und durch. Nur einen Mann, den früh verstorbenen
Wilhelm Heine aus Düsseldorf, möchte ich davon aus-
genommen wissen. Aus seinem „Gottesdienst in einem
Gefangenhause" spricht ein bedeutendes Talent. Weniger
war dies bei P. Schwingen aus Godesberg der Fall.
Alle seine zahlreichen Versuche dieser Art („die Pfändung",
„das verzollte Brot" rc.) gingen wirkungslos vorüber.

Was Düsseldorfs Landschafter, den Kern der Schule
betrifft, so wende ich mich zuerst zu den Stimmungsmalern,
weil in ihnen so recht das Wesen der älteren Richtung
enthalten ist. Ihnen lasse ich die Naturalisten folgen und
diesen erst die Stilisten. Ueber das Haupt der Stim-
mungsmaler, Lessing, habe ich bereits das Erforderliche
beigebracht. Leider hat keiner seiner Nachfolger, so groß
ihre Zahl ist, ihm die Stange zu halten vermocht. Sollte
ich einen Lessing Ebenbürtigen namhaft machen, wer
anders könnte cs sein, als Kaspar Sch euren (geb.
1810), eine isolirte, seltsame Natur. Sch euren ist Ro-
mantiker durch und durch, leider aber auch zuweilen mehr,
ein Phantast. Genialität ist ihm nicht abzusprechen. Wie
Lessing liebt er phantastische Figuren und Gruppen, wie
Lessing ist; er zugleich romantischer Genremaler. Selt-
same Effekte und schwärmerische Motive begegnen uns
auf jedem seiner Bilder. Das Licht liebt der Künstler
daher auf einen einzigen Punkt zu koncentriren. Mit un-
glaublicher Leichtigkeit producirt der begabte Maler, der
nie zu einer rechten Ruhe kommt und daher auch seinen
Beschauer stets in Unruhe versetzt. Unerwarteter Weise
ist seine Technik, obwohl Sch euren genau genommen
Autodidakt ist, trefflich;.von Kennern wird seine Luft be-
sonders gerühmt. Keck ausgeführt sind seine Oel- wie
Aquarellbilder. Den freiesten Spielraum läßt Scheuren
seiner grenzloscn Phantasie in seinen überaus beliebten
Arabeskenzeichnungen, die von Laune und Gedanken wahr-
haft übersprudeln und trotzdem doch geschmackvoll und
elegant bleiben. Der Radirung, in der er solche Dinge
auszuführen pflegt, ist er Herr wie Einer.

Ein ziemlich selbstständiger Künstler ist unter den un-
zähligen Stimmungsmalern noch Adolf Lasinsky aus
Koblenz, der nach Köln übergesiedelt ist. Seine Gegen-
den sind originell, seine Stimnmngen effektreich, dagegen
wird ihm Herbheit und Gesuchtheit in vielen Fällen vor-
gerückt. Natürlicher und gcmüthlicher sind Wilhelm
Pose's (geb. 1812 zu Düsseldorf) Leistungen. Düsterer
gestimmt, dabei innig, naturtreu und bis in Detail sorg-
fältig ist Heinrich Funk (geb. 1809 zu Herforl in W^st-
phalen). Auch er hat, wie fast alle Stimmungsmaler,
Düsseldorf zu verlassen sich genöthigt gesehen. Bilder

des Rheines mit durchaus romantischer Anschauung haben
außer den eben Genannten noch K. Breslauer, Kies-
ling, Ehr. Heerdt, K. Dahl, Leopold Schlosser-
geliefert.

Zn dieser Gruppe sind ferner die große Masse der
Waldmaler zu zählen, unter denen dem talentvollen bereits
verstorbenen Fr. Wich ert wohl der erste Platz gebührt.
Technisch wenig gewand, aber poesiereich, soll Const.
Schmidt aus Mainz sein. Eine gewisse Gefälligkeit und
Freundlichkeit wird den Leistungen Jos. Hülser's aus
Kleinenbroch nachgerühmt. Kräftiger als dieser war, wie
man sagt, Runge aus Bremen. Als gediegen wird
endlich noch Ludwig Scheins ans Aachen bezeichnet.

Noch andre Landschafter dieser Richtung gaben ihren
Schöpfungen einen gewissen idyllischen Charakter, da ihnen
der nöthige Schwung mangelte, so Aug. Becker aus
Ballenstädt, Heunert aus Soest, John aus Berlin,
Jos. Häcke aus Mühlheim, Jakoby aus Königsberg.
Hervorgehoben als gediegen wird Happel (geb. 1813 zu
Arnsberg), als anmuthig und vielseitig bezeichnet Wil-
helm Klein (1821 zu Düsseldorf geb.). Trotz dem ge-
ringen Anklang, den die ebengenannten Maler beim Publi-
kum fanden, ist die Zahl ihrer Nachahmer und Schüler
doch noch erstaunlich groß.

Glücklicher, als sie, ja gradezu die Lieblinge des Publi-
kums wurden die Naturalisten. Aller Meister ist An-
dreas Achenbach (geb. in Kassel 1815.) Mag man
gegen den Naturalismus in der Kunst einwenden, was
man will, an Achenbach's Gemälden werden alle Theo-
rien zu Schanden. Er ist der allerentschiedenste Realist,
und doch ist er, trotzdem daß möglichst treue Wiedergabe
der Wirklichkeit sein Hauptziel bleibt, nie in die bloße
Vedutenmalerei hineingerathen. Den Pulsschlag der Natur
zu fühlen hat schwerlich je ein Künstler mehr als er ver-
standen. Geistreich und lebendig ist seine Behandlung und
seine Auffassung. Seine Farben sind hell, fast durchsichtig.
Seine Ausführung ist flott und munter. Genial und lie-
benswürdig wie seine Persönlichkeit sind seine Werke. An
Vielseitigkeit und Produktivität kann sich so leicht Keiner
der Lebenden mit ihm messen. Wie und wo er die
Natur ersaßt, da ist sie ihm, gehorsam und gelegen. Auf
allen seinen Gemälden ist Leben und Bewegung. Oft
liegt gradezu etwas Gigantisches in seinen Leistungen.
Fast alle Länder Europas haben ihm ihren Tribut zollen
müssen. Die Niederlande, die Normandie, Norwegen,
England und Italien hat er besucht: Studien und Bilder
entstanden, wo er hintrat. Am wenigsten günstig war
seiner Naturanlage der Aufenthalt im Süden, und des-
halb geben seine südlichen Landschaften keinen Begriff von
deS Künstlers Eigenheiten. 'Seiner frischen Beweglichkeit
und seiner kräftigen Ursprünglichkeit sagte das Tosen und
Branden der Meereswogen an den Küsten der Normandie
und Norwegens mehr zu, als der ruhige Fluß der südlichen
Linien. Besonders angezogen fühlte er sich von dem Meer,
das er an der schwedischen, holländischen, englischen, nor-
wegischen Küste studirte. Auch in die offne See hat er
uns hinausgeführt.

(Fortsetzung folgt.)
 
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