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als ein Mangel anzusehen, daß von der Berliner Schule
der Skulptur, von Rau ch's unmittelbaren Schülern, Künst-
ler wie Drake, Kiß, Schi evelb ein, Wredow, H eidel,
Aug. Fischer und Alb, Wolfs hier ebenso wie früher in
München vermißt werden? Und ebenfalls fehlen diesmal
Brugger und Halbig aus München undHähnel aus
Dresden, woraus man fast schließen sollte, sie hätten seit
Kurzem nichts geschaffen. Und doch können diese Lücken,
denen ich bei näherem Eingehen in andern Schulen und
früheren Perioden noch mehrere hinzufügen könnte, dem
Beschauer die Freude an der Ausstellung nicht verkümmern.
Sie bietet, von Dem, was in der Kunstgeschichte bereits
einen Namen hat oder ihn noch haben wird, sehr Vieles,
sie läßt aber, und das ist kein Hebet, ihren Nachfolgerinnen
auch noch zu arbeiten und zu ergänzen übrig.
Wenn zur Zeit der Künstlerversammlung einige wirk-
liche oder scheinbare Kennerstimmen die ganze Oelmalerei
numerisch nur mäßig fanden und aus dieser mäßigen Zahl
eine bedeutende Reihe von Bildern wegwünschten, so kann
ich diesen Stimmen, mit Rücksicht darauf, daß es die zweite
und nicht die erste allgemeine Ausstellung ist, nur in ge-
ringem Maaße Recht geben. Denn man vermißt von dem
Bedeutenden, was die neueste Zeit geschaffen, wie gesagt,
nur wenig; und bei einer großen Zahl von Künstlern,
namentlich Düsseldorfern, läßt sich vermittelst einer ver-
ständigen Auswahl charakteristischer Bilder ihr künstlerischer
Entwicklungsgang in belehrender Weise verfolgen. Wenn
man ferner allerdings einige ausgestellte Werke für kaum
mittelmäßig erklären muß, so thut daS meiner Meinung
nach der historischen Bedeutung der Ausstellung keinen
Eintrag. Es sind entweder einzelne Verirrungen auf
den von namhaften Meistern eingeschlagenen Wegen (wie
der verunglückte „in Worms einziehende Luther" von Mar-
lersteig), oder solche Jngendwerke, aus denen keine große
Zukunft ihrer Urheber ersichtlich ist. Eben jene Kenner-
stimmen, die mir in der That nicht recht zu kennen scheinen,
was das letzte Triennium an Oelbildern hervorgebracht
hat, wollen den Hauptwerth der Ausstellung in den vor-
handenen Cartons, Aquarellen und dergleichen erblicken.
Darin haben sie insofern Recht, als die Cartons und
Zeichnungen, mehr als die Oelbilder, uns mit einer großen
Zahl von nicht ganz neuen Meisterwerken noch lebender
Künstler bekannt machen.
Wer einen flüchtigen Blick auf den im ganzen kleinen
historischen Theil der Ausstellung, d. h. auf die der Be-
rufung des Cornelius nach Düsseldorf vorangehende
Zeit wirft, ist sogar genöthigt, bis über Carstens hinaus,
bis auf einige Nachfolger von Raphael Mengs zurück-
zugehen. Denn die Bilder des Portraitmalers Anton
Grass, das Bildniß Alexander von Humboldt's von
F. G- Weitsch aus dem Jahre 1806, und die an Da-
vids Schule erinnernde, zierliche, etwas süßliche „Cornelia"
des Stuttgarters H etsch liegen außerhalb der festgesetzten
Periode. Auch die Blätter von Carstens, die sämmtlich
der Sammlung des Grossster,zvgs von Weimar entnommen
sind, will ich nur kürz berühren, da der ganze Reichthum
seiner Phantasie und der .hohe Adel seiner Gestalten mehr
aus den in München ausgestellten Blättern, die sowohl aus
Weimar als aus der Sammlung des Baron von Uexküll
waren, als aus den hier vorhandenen hervorleuchtete.
Auch den alten, derben Koch konnte man vor drei Jahren
besser kennen lernen als jetzt, aber interessant und fesselnd,
weil sie die Leidenschaft seiner Phantasie am meisten cha-
rakterisiren, sind seine „Federzeichnungen zu Dante's divina
commedia.“ Sollte nicht das nächste Mal auch seine meines
Wissens noch in der Kunstschule zu Stuttgart befindliche
satyrische Zeichnung von dem „guten Geschmack der Karls-
schnle" erscheinen können? Sie wäre als kunsthistorische
Merkwürdigkeit gewiß von großem Interesse.
Der erste und einzige wirklich reich vertretene Meister
der älteren Periode ist der glückliche Nachfolger von Carstens,
Gottlieb Schick, von dessen nicht zahlreichen Werken wir
vier bedeutende erblicken, so daß, da sein „Apollo unter den
Hirten" bekanntlich in München war, man sagen kann,
daß Schick durch beide Ausstellungen erschöpft ist. Das
erste dieser vier ist die noch in Paris, (also vor 1802,
obwohl ohne Einfluß der David'schen Schule) gemalte
„Eva, die im Spiegel eines Baches ihren schönen Körper
betrachtet"^), ein Werk von ziemlich ungleicherDurchbildung
in den Einzelheiten, sodann der 1803 in Rom entstandene
„David vor Saul" (k. Museum in Stuttgart), der bei
durchaus idealer Anffaftüng doch eine treffende, scharfe
Charakteristik der Gestalten und insbesondere der beiden
Hauptgestalten hat und meisterhaft im Kolorit ist. Schöner
und erhabener noch ist das dritte, das große „Opfer Noahs"
aus dem Jahre 1805, das als ein Werk von edelster Be-
geisterung und innigem Dankgefühl gegen Gott stilistisch
noch großartiger und in der Behandlung noch freier ist,
als jener David. Dazu kommen zwei für die künstlerische
Laufbahn unseres Meisters sehr interessante Stücke: einer-
seits das „Portrait seines Vaters", das er im Alter von
15 Jahren malte, andrerseits die letzte Arbeit seines Lebens,
die freilich schon als eine Art von Rückschritt anzusehende
Skizze „Jesus als Knabe oder Jüngling träumend im
Schooße der Engel," die ihn bereits künstlerisch dem Boden
der Wirklichkeit entrückt hat, wie er selber kurz nachher
der Erde entrückt wurde.
Eberhard von Wächter war auf der Münchener
Ausstellung durch viele Werke und zwar durch seine vor-
züglichsten, wie „Hiob unter seinen Freunden," „Sokrates'
letzter Schlaf," „das Lebensschiff" u. a. fast erschöpft, so
daß sich hier nur einige wenige bedeutende Ergänzungen
vorfinden. Es bleiben demnach ans dieser älteren Periode
nur noch der jüngere Tischbein, der Neapolitaner, mit
zwei ihn wenig charakterisirenden Bildern, die Hanoveraner
Rehberg und Joh. Riepenhausen und die Schwaben
Joh. Friedrich Dietrich und Fr. v. Steinkopf übrig.
Es ist um so erfreulicher, das Hauptbild aus der früheren
Periode (1823) des Ersteren dieser beiden: „Abrahams
Einzug in's gelobte Land", ein sehr poetisches Werk von
edlen Motiven und trefflichem Kolorit, hier zu erblicken,
da er auf der Münchener Ausstellung gänzlich fehlte. Auch
Steinkopf, der als Mitbegründer der modernen Land-
schaft wohl einen Namen in der Kunstgeschichte neben
Koch verdient, gibt in einem seiner letzten Werke, dem
„Elisium" (1843) einen Beweis seiner naiv originellen
Auffassung und seiner poetischen Konception. Er war ein
liebenswürdiger Idealist.
Wenn ich nunmehr der Gegenwart, d. h. der mit der
Verpflanzung der deutschen Kunst nach München beginnenden
Periode näher trete, so muß ich zuvor erklären, daß es mir
mehr darum zu thun ist, die einzelnen nach Gegenständen
und deren Auffassung oder nach der Technik und dem
Machwerk verschiedenen Richtungen zu bezeichnen und zu
charakterisiren, um so ein möglichst, vollständiges Bild der
in der Ausstellung vertretenen Richtungen zu entwerfen,
als auf jedes einzelne bedeutende Werk hinzuweisen. Sind
doch auch schon viele der letzteren grade in diesen Blättern
früher besprochen worden. Absichtliches Schweigen über das
Verhältniß einzelner Künstler zu diesen Richtungen liegt nicht
in meinem Willen; wo ich also schweige und es nicht hätte
thun sollen, da wird die Unterlassungssünde Niemanden
kränken.
1. Historienmalerei. Wo unsere Betrachtung des
Gebietes der Historienmalerei zu beginnen hat, kann Nie-
mandem zweifelhaft sein, der die Ausstellung während der
zweiten Hälfte ihrer Dauer besucht hat. Unbedenklich bei
der interessanten Jugendarbeit des großen Meisters, der
an der Spitze der Wiedergeburt der deutschen Kunst un-
seres Jahrhunderts steht, bei Cornelius' „klugen und
*) Angekauft vom ..Verein für die Erwerbung von Kunst-
werken fiir's Kölner Museum."
als ein Mangel anzusehen, daß von der Berliner Schule
der Skulptur, von Rau ch's unmittelbaren Schülern, Künst-
ler wie Drake, Kiß, Schi evelb ein, Wredow, H eidel,
Aug. Fischer und Alb, Wolfs hier ebenso wie früher in
München vermißt werden? Und ebenfalls fehlen diesmal
Brugger und Halbig aus München undHähnel aus
Dresden, woraus man fast schließen sollte, sie hätten seit
Kurzem nichts geschaffen. Und doch können diese Lücken,
denen ich bei näherem Eingehen in andern Schulen und
früheren Perioden noch mehrere hinzufügen könnte, dem
Beschauer die Freude an der Ausstellung nicht verkümmern.
Sie bietet, von Dem, was in der Kunstgeschichte bereits
einen Namen hat oder ihn noch haben wird, sehr Vieles,
sie läßt aber, und das ist kein Hebet, ihren Nachfolgerinnen
auch noch zu arbeiten und zu ergänzen übrig.
Wenn zur Zeit der Künstlerversammlung einige wirk-
liche oder scheinbare Kennerstimmen die ganze Oelmalerei
numerisch nur mäßig fanden und aus dieser mäßigen Zahl
eine bedeutende Reihe von Bildern wegwünschten, so kann
ich diesen Stimmen, mit Rücksicht darauf, daß es die zweite
und nicht die erste allgemeine Ausstellung ist, nur in ge-
ringem Maaße Recht geben. Denn man vermißt von dem
Bedeutenden, was die neueste Zeit geschaffen, wie gesagt,
nur wenig; und bei einer großen Zahl von Künstlern,
namentlich Düsseldorfern, läßt sich vermittelst einer ver-
ständigen Auswahl charakteristischer Bilder ihr künstlerischer
Entwicklungsgang in belehrender Weise verfolgen. Wenn
man ferner allerdings einige ausgestellte Werke für kaum
mittelmäßig erklären muß, so thut daS meiner Meinung
nach der historischen Bedeutung der Ausstellung keinen
Eintrag. Es sind entweder einzelne Verirrungen auf
den von namhaften Meistern eingeschlagenen Wegen (wie
der verunglückte „in Worms einziehende Luther" von Mar-
lersteig), oder solche Jngendwerke, aus denen keine große
Zukunft ihrer Urheber ersichtlich ist. Eben jene Kenner-
stimmen, die mir in der That nicht recht zu kennen scheinen,
was das letzte Triennium an Oelbildern hervorgebracht
hat, wollen den Hauptwerth der Ausstellung in den vor-
handenen Cartons, Aquarellen und dergleichen erblicken.
Darin haben sie insofern Recht, als die Cartons und
Zeichnungen, mehr als die Oelbilder, uns mit einer großen
Zahl von nicht ganz neuen Meisterwerken noch lebender
Künstler bekannt machen.
Wer einen flüchtigen Blick auf den im ganzen kleinen
historischen Theil der Ausstellung, d. h. auf die der Be-
rufung des Cornelius nach Düsseldorf vorangehende
Zeit wirft, ist sogar genöthigt, bis über Carstens hinaus,
bis auf einige Nachfolger von Raphael Mengs zurück-
zugehen. Denn die Bilder des Portraitmalers Anton
Grass, das Bildniß Alexander von Humboldt's von
F. G- Weitsch aus dem Jahre 1806, und die an Da-
vids Schule erinnernde, zierliche, etwas süßliche „Cornelia"
des Stuttgarters H etsch liegen außerhalb der festgesetzten
Periode. Auch die Blätter von Carstens, die sämmtlich
der Sammlung des Grossster,zvgs von Weimar entnommen
sind, will ich nur kürz berühren, da der ganze Reichthum
seiner Phantasie und der .hohe Adel seiner Gestalten mehr
aus den in München ausgestellten Blättern, die sowohl aus
Weimar als aus der Sammlung des Baron von Uexküll
waren, als aus den hier vorhandenen hervorleuchtete.
Auch den alten, derben Koch konnte man vor drei Jahren
besser kennen lernen als jetzt, aber interessant und fesselnd,
weil sie die Leidenschaft seiner Phantasie am meisten cha-
rakterisiren, sind seine „Federzeichnungen zu Dante's divina
commedia.“ Sollte nicht das nächste Mal auch seine meines
Wissens noch in der Kunstschule zu Stuttgart befindliche
satyrische Zeichnung von dem „guten Geschmack der Karls-
schnle" erscheinen können? Sie wäre als kunsthistorische
Merkwürdigkeit gewiß von großem Interesse.
Der erste und einzige wirklich reich vertretene Meister
der älteren Periode ist der glückliche Nachfolger von Carstens,
Gottlieb Schick, von dessen nicht zahlreichen Werken wir
vier bedeutende erblicken, so daß, da sein „Apollo unter den
Hirten" bekanntlich in München war, man sagen kann,
daß Schick durch beide Ausstellungen erschöpft ist. Das
erste dieser vier ist die noch in Paris, (also vor 1802,
obwohl ohne Einfluß der David'schen Schule) gemalte
„Eva, die im Spiegel eines Baches ihren schönen Körper
betrachtet"^), ein Werk von ziemlich ungleicherDurchbildung
in den Einzelheiten, sodann der 1803 in Rom entstandene
„David vor Saul" (k. Museum in Stuttgart), der bei
durchaus idealer Anffaftüng doch eine treffende, scharfe
Charakteristik der Gestalten und insbesondere der beiden
Hauptgestalten hat und meisterhaft im Kolorit ist. Schöner
und erhabener noch ist das dritte, das große „Opfer Noahs"
aus dem Jahre 1805, das als ein Werk von edelster Be-
geisterung und innigem Dankgefühl gegen Gott stilistisch
noch großartiger und in der Behandlung noch freier ist,
als jener David. Dazu kommen zwei für die künstlerische
Laufbahn unseres Meisters sehr interessante Stücke: einer-
seits das „Portrait seines Vaters", das er im Alter von
15 Jahren malte, andrerseits die letzte Arbeit seines Lebens,
die freilich schon als eine Art von Rückschritt anzusehende
Skizze „Jesus als Knabe oder Jüngling träumend im
Schooße der Engel," die ihn bereits künstlerisch dem Boden
der Wirklichkeit entrückt hat, wie er selber kurz nachher
der Erde entrückt wurde.
Eberhard von Wächter war auf der Münchener
Ausstellung durch viele Werke und zwar durch seine vor-
züglichsten, wie „Hiob unter seinen Freunden," „Sokrates'
letzter Schlaf," „das Lebensschiff" u. a. fast erschöpft, so
daß sich hier nur einige wenige bedeutende Ergänzungen
vorfinden. Es bleiben demnach ans dieser älteren Periode
nur noch der jüngere Tischbein, der Neapolitaner, mit
zwei ihn wenig charakterisirenden Bildern, die Hanoveraner
Rehberg und Joh. Riepenhausen und die Schwaben
Joh. Friedrich Dietrich und Fr. v. Steinkopf übrig.
Es ist um so erfreulicher, das Hauptbild aus der früheren
Periode (1823) des Ersteren dieser beiden: „Abrahams
Einzug in's gelobte Land", ein sehr poetisches Werk von
edlen Motiven und trefflichem Kolorit, hier zu erblicken,
da er auf der Münchener Ausstellung gänzlich fehlte. Auch
Steinkopf, der als Mitbegründer der modernen Land-
schaft wohl einen Namen in der Kunstgeschichte neben
Koch verdient, gibt in einem seiner letzten Werke, dem
„Elisium" (1843) einen Beweis seiner naiv originellen
Auffassung und seiner poetischen Konception. Er war ein
liebenswürdiger Idealist.
Wenn ich nunmehr der Gegenwart, d. h. der mit der
Verpflanzung der deutschen Kunst nach München beginnenden
Periode näher trete, so muß ich zuvor erklären, daß es mir
mehr darum zu thun ist, die einzelnen nach Gegenständen
und deren Auffassung oder nach der Technik und dem
Machwerk verschiedenen Richtungen zu bezeichnen und zu
charakterisiren, um so ein möglichst, vollständiges Bild der
in der Ausstellung vertretenen Richtungen zu entwerfen,
als auf jedes einzelne bedeutende Werk hinzuweisen. Sind
doch auch schon viele der letzteren grade in diesen Blättern
früher besprochen worden. Absichtliches Schweigen über das
Verhältniß einzelner Künstler zu diesen Richtungen liegt nicht
in meinem Willen; wo ich also schweige und es nicht hätte
thun sollen, da wird die Unterlassungssünde Niemanden
kränken.
1. Historienmalerei. Wo unsere Betrachtung des
Gebietes der Historienmalerei zu beginnen hat, kann Nie-
mandem zweifelhaft sein, der die Ausstellung während der
zweiten Hälfte ihrer Dauer besucht hat. Unbedenklich bei
der interessanten Jugendarbeit des großen Meisters, der
an der Spitze der Wiedergeburt der deutschen Kunst un-
seres Jahrhunderts steht, bei Cornelius' „klugen und
*) Angekauft vom ..Verein für die Erwerbung von Kunst-
werken fiir's Kölner Museum."