312
Dr. Zimmermann: Eckmann's künstlerische Entwickelung.
OTTO ECKMANN—BERLIN.
Schablonirter Fries aus dem Klub-Hause des » Wikking^
Natur, die erste Stufe des Naturalismus gleich
völlig übersprungen zu haben, von Anfang
an zum zielbewussten Stilisten geworden zu
sein, der über der Natur steht und mit
ihren Formen sonnenrein waltet. Um dies
zu können, muss man über die Stufe
des die Natur erst Kennenlernens hinaus
sein, man muss sie beherrschen. Eckmann
hatte das grosse Glück gehabt, seit seiner
frühesten Jugend von seinem Vater auf
Spaziergängen und dergl. auf die Schön-
heiten der Natur aufmerksam gemacht
zu sein. Er hatte sich früh in ihr Klein-
leben vertieft, ohne, wie er als Maler gezeigt
hat, darüber den Sinn für das Grosse, die
Stimmung zu verlieren. Solche Jugend-
eindrücke haften und sprechen oft im Leben
entscheidend mit. Jetzt lebt er sich bewusst in
die Formenwelt der Natur ein. Er umgibt
sich mit Blumen, sucht sie draussen im Freien
auf, studirt ihren Anfang und ihr Ende, lebt
sich in ihren Organismus ein, und dann
zeichnet er sie in allen ihren Lebenslagen
und Situationen, um, wenn er eine Pflanze
völlig beherrscht, sein Skizzenbuch zuzu-
klappen und sie in organischem Sinne für
den gegebenen Zweck von Neuem zu schaffen.
So kommt jener freie, echt ornamentale Zug
in Eckmann's Ornamentik, den Spötter wohl
als »Kalligraphie« bezeichnet haben, der aber
doch immer durchaus dem besonderen Wesen
der jedesmaligen Pflanze entnommen ist,
darum auch bei jeder neuen Pflanze ein
anderer ist. Bald werden Blätter, Blumen
und Früchte breit und dicht beieinander
gelegt, dass sie wie deckend wirken, bald
verbinden graziöse Stengel dieselben in
leichter Zerstreuung, dass das Auge vor
allem sich freut an dem Linienspiel. Bei
der Thierwelt, die Eckmann nicht minder
beherrscht, treten Wasser- und Wolken-
linien als verbindende Zwischenglieder hinzu.
Innen aber steht der Linienzug dieser vor-
wiegend durch Konturirung wirkenden Or-
namentik noch seinem Ursprung, der Natur,
aus ihr eben erst hervorgegangen, nahe. Er
zeigt nicht die satte Rundung, den vollen
Schwung, die üppige Breite der Ornamentik,
der reifen Kunst-Epochen der Antike und
der aus ihr hervorgegangenen Renaissance.
Er ist weicher, schwankender, unbestimmter,
auch eckiger, je nachdem es das Vorbild,
die Pflanze, oder die dekorative Aufgabe
erfordert, mehr in die Länge, als in die
Breite sich dehnend, jedem mathematischen
Schema so fern als möglich, wie es eben
die Natur, so wie sie sich uns unmittelbar
darbietet, zeigt. Gerade darum ist uns diese
Ornamentik aber schon aus physiologischen
Gründen so willkommen, als das Auge sich
satt gesehen hat an den in ihrer Beschränk-
ung mit Nothwendigkeit sich stetig wieder-
holenden Formen der klassischen Kunst, zu
denen jene den direkten Gegensatz bildet.
So gewann Eckmann durch das einfachste
Mittel von der Welt ein neues mannigfach
schon erprobtes brauchbares Ornament, zu
gleicher Zeit, da von anderer Seite mit
echt deutscher Professoren - Gründlichkeit zu
gleichem Zwecke erst Anatomie und Sche-
matismus der Pflanze gründlich untersucht
wird, wie wenn etwa ein Figuren-Zeichner
Dr. Zimmermann: Eckmann's künstlerische Entwickelung.
OTTO ECKMANN—BERLIN.
Schablonirter Fries aus dem Klub-Hause des » Wikking^
Natur, die erste Stufe des Naturalismus gleich
völlig übersprungen zu haben, von Anfang
an zum zielbewussten Stilisten geworden zu
sein, der über der Natur steht und mit
ihren Formen sonnenrein waltet. Um dies
zu können, muss man über die Stufe
des die Natur erst Kennenlernens hinaus
sein, man muss sie beherrschen. Eckmann
hatte das grosse Glück gehabt, seit seiner
frühesten Jugend von seinem Vater auf
Spaziergängen und dergl. auf die Schön-
heiten der Natur aufmerksam gemacht
zu sein. Er hatte sich früh in ihr Klein-
leben vertieft, ohne, wie er als Maler gezeigt
hat, darüber den Sinn für das Grosse, die
Stimmung zu verlieren. Solche Jugend-
eindrücke haften und sprechen oft im Leben
entscheidend mit. Jetzt lebt er sich bewusst in
die Formenwelt der Natur ein. Er umgibt
sich mit Blumen, sucht sie draussen im Freien
auf, studirt ihren Anfang und ihr Ende, lebt
sich in ihren Organismus ein, und dann
zeichnet er sie in allen ihren Lebenslagen
und Situationen, um, wenn er eine Pflanze
völlig beherrscht, sein Skizzenbuch zuzu-
klappen und sie in organischem Sinne für
den gegebenen Zweck von Neuem zu schaffen.
So kommt jener freie, echt ornamentale Zug
in Eckmann's Ornamentik, den Spötter wohl
als »Kalligraphie« bezeichnet haben, der aber
doch immer durchaus dem besonderen Wesen
der jedesmaligen Pflanze entnommen ist,
darum auch bei jeder neuen Pflanze ein
anderer ist. Bald werden Blätter, Blumen
und Früchte breit und dicht beieinander
gelegt, dass sie wie deckend wirken, bald
verbinden graziöse Stengel dieselben in
leichter Zerstreuung, dass das Auge vor
allem sich freut an dem Linienspiel. Bei
der Thierwelt, die Eckmann nicht minder
beherrscht, treten Wasser- und Wolken-
linien als verbindende Zwischenglieder hinzu.
Innen aber steht der Linienzug dieser vor-
wiegend durch Konturirung wirkenden Or-
namentik noch seinem Ursprung, der Natur,
aus ihr eben erst hervorgegangen, nahe. Er
zeigt nicht die satte Rundung, den vollen
Schwung, die üppige Breite der Ornamentik,
der reifen Kunst-Epochen der Antike und
der aus ihr hervorgegangenen Renaissance.
Er ist weicher, schwankender, unbestimmter,
auch eckiger, je nachdem es das Vorbild,
die Pflanze, oder die dekorative Aufgabe
erfordert, mehr in die Länge, als in die
Breite sich dehnend, jedem mathematischen
Schema so fern als möglich, wie es eben
die Natur, so wie sie sich uns unmittelbar
darbietet, zeigt. Gerade darum ist uns diese
Ornamentik aber schon aus physiologischen
Gründen so willkommen, als das Auge sich
satt gesehen hat an den in ihrer Beschränk-
ung mit Nothwendigkeit sich stetig wieder-
holenden Formen der klassischen Kunst, zu
denen jene den direkten Gegensatz bildet.
So gewann Eckmann durch das einfachste
Mittel von der Welt ein neues mannigfach
schon erprobtes brauchbares Ornament, zu
gleicher Zeit, da von anderer Seite mit
echt deutscher Professoren - Gründlichkeit zu
gleichem Zwecke erst Anatomie und Sche-
matismus der Pflanze gründlich untersucht
wird, wie wenn etwa ein Figuren-Zeichner