Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 6.1900

DOI Heft:
Heft 7 (April)
DOI Artikel:
Zimmermann, Ernst; Osborn, Max: Prof. O. Eckmann - Berlin
DOI Artikel:
Muthesius, Hermann: Über unsere häusliche Baukunst, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6696#0048

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
332

Hermann Muthesius: lieber häusliche Baukunst.

tektur würde ein sklavisches Nachahmen zu
schiefen Resultaten führen. Eckmann strebt
auf mancherlei Art darnach, hier Elemente
heranzubringen, die früheren Zeiten fremd
geblieben sind. Er versuchte mit Erfolg
eine sehr zierliche neue Säulenbildung, bei
der das Kapital nicht streng von dem eckigen
Schaft getrennt ist, vielmehr die bis oben
durchgeführten Kanten in einer originellen,
aber durchaus einfachen Figur, etwa in einem
losen Büschel zusammengerollter Farren-
kräuter, enden, um so die Druckwirkung zum
Ausdruck zu bringen. Die alten Prinzipien
durch neue Mittel weiter zu führen und eine
organische Fortentwickelung des vorhande-
nen Brauchbar-Guten anzubahnen, die von un-
selbständiger Kopistenthätigkeit ebenso weit
entfernt ist wie von revolutionärem Radikalis-
mus, das ist Eckmann's letztes Ziel. Sein

Streben zu diesem Ziel ist bisher von grossen
und berechtigten Erfolgen begleitet gewesen.
Das Publikum Hess sich willig leiten, und die
jüngere Künstler-Generation — das bewies
vor allem die letzte Schüler-Ausstellung des
Berliner Kunstgewerbe - Museums — folgt
ihm mit Feuereifer. Zahllose werthvolle An-
regungen sind von ihm ausgegangen, und
seine Arbeiten haben das Deutsche Kunst-
gewerbe im europäischen Auslande wie
in der neuen Welt wieder zu Ehren gebracht.
Wenn er aber auf dem Wege, den er jetzt
als den richtigen erkannt hat, tapfer und
konsequent vorwärts schreitet, so werden wir
ihn einstens auch — und das wäre freilich
ein noch höherer Ehrentitel — als einen der
thatkräftigsten und nachhaltigst wirkenden
Begründer eines modernen deutschen Stiles
feiern dürfen. Dr. Max Osborn—Berlin.

UEBER UNSERE HÄUSLICHE BAUKUNST.

Wenn man die heutige deutsche Bau-
kunst in ihrer Gesammtheit über-
blickt, und sie mit dem Gesammtbild der
Architektur vergangener Zeiten vergleicht,
so fällt vielleicht nichts so sehr auf, als die
Verwilderung und Verödung unserer heutigen
Haus-Baukunst. Sehen wir uns ein gewöhn-
liches Bürgerhaus aus dem achtzehnten Jahr-
hundert an, so ist die Sicherheit, mit welcher
sich ein einfacher, aber geläuterter Geschmack
in der kleinsten Einzelheit geltend machte,
für uns erstaunlich. Gehen wir weiter zurück
ins siebzehnte, sechzehnte Jahrhundert, so
tritt dazu noch eine Liebe in der Gestaltung,
eine Phantasie in der Ausschmückung, die
uns aufs wärmste anspricht, und finden wir
hier und da ein gothisches Haus, so er-
scheint uns dies geradezu klassisch in seiner
sachlichen Tüchtigkeit und schlichten Grösse.

Ja man kann wohl sagen, dass das gewöhn-
lichste, aus früheren Jahrhunderten auf uns
gekommene Haus uns heute als eine künst-
lerische That erscheint — der beste Beweis,
wie tief wir jetzt selbst gesunken sind.
Jeder, der in neuen Städten, wie Berlin,
Hamburg usw. zu leben gezwungen ist,
wird die Erquickung an sich erfahren haben,
die ihm auf seiner Sommerreise der Eintritt
in das einfachste, spiessbürgerlichste Städtchen
gebracht hat, wenn dieses einen Theil seines
alten Gepräges erhalten hatte. Erst dann
setzt der Gegensatz die grässliche Ge-
schmack- und Stillosigkeit unserer heutigen
Städte in das rechte Licht.

Woran liegt das? Wen trifft der Vor-
wurf für die heutigen Zustände? Man
pflegt mit der Antwort rasch zur Hand zu
sein: die heutigen Architekten. Und doch
 
Annotationen