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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 6.1900

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Heft 12 (September)
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Osborn, Max: S. Bing's "Art nouveau" auf der Welt-Ausstellung
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Kunst-Weberei in Ungarn
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https://doi.org/10.11588/diglit.6696#0305

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Dr. Max Osborn: Bing's »Art nouveau«. —

Ungarische Kunst- Weberei.

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pfangsräumen zu einer heiteren, geselligen
Stimmung auf. Das Ganze ist wie das
Gartenschlösschen einer kapriziösen, geist-
reichen Mondäne. Ueberall waltet ein reifer,
sicherer Geschmack, der keine überspannten
Extravaganzen kennt. Eine fein abgestimmte
Mischung von wohnlichem
Behagen und erlesener Nob-
lesse. Es ist in der Gesammt-
heit wie in allen Theilen
eine Schöpfung echt fran-
zösischen und echt moder-
nen Geistes. Und rühmens-
werth ist dabei die korrekte
Sorgfalt und Sauberkeit der
Ausführung, die musterhafte
Akkuratesse in der Behand-
lung der Details. Ob frei-
lich der Stil, den Bing hier
mit so reichem Geschmack
in Vorschlag bringt, ent-
wickelungfähig ist, — das
möchte ich heute nicht ent-
scheiden. Für uns Deutsche
ist er auf alle Fälle ein
wenig zu weibisch, zu spie-
lerig, zu kokottenhaft. Für
die Franzosen vielleicht ge-
rade darum recht geeignet.
Dr. Max Osborn—Paris.

KUNST-WEBEREI IN
UNGARN. Die Tep-
pich - Webekunst wird in
Süd - Ungarn seit langem
ausgeübt. Bekannt — selbst
im weiteren Auslande —
sind die bunten serbischen
Teppiche, Tyillims genannt,
in der Technik den Scherre-
bekern vollkommen ähnlich,
welche durch Bauersfrauen

g. de feure—paris.
Beschlag aus dem. Toilette-Zimmer.

in ihrer freien
Zeit gemacht und dann verkauft wurden an
Grossisten, welche diese Sachen im ganzen
Land zusammenkaufen lassen, um sie dann
weiter abzusetzen. Die Dessins dieser Er-
zeugnisse, die nicht allein als Teppiche,
sondern als Bett- und Divanüberwürfe, Tisch-
decken, Vorhänge, Portieren, Esels-Taschen

Verwendung finden, sind fast durchwegs in
ganz grellen Farben gehalten. Hellroth, hell-
grün, schneeweiss, gelb und hellblau sind
die fast immer vorkommenden Farben, zu
denen sich schwarz, tegetthoffblau, dunkel-
braun und dunkelgrün gesellen. Die Motive
der Zeichnung sind süd-
slavischer Herkunft und in
Folge ihrer Eigenart in
Zeichnung und Farben-
gebung kann man diesen
Sachen einen gewissen orien-
talischen Karakter nicht ab-
sprechen. Nur dessenthalben
werden sie verlangt und
hauptsächlich in dekorativer
Weise verwendet. Für fei-
nere Effekte sind sie aller-
dings nicht zu brauchen,
sondern nur dort, wo eine
grelle Dekoration ange-
bracht ist und beliebt wird.
Ueberdies verfällt ein grosser
Theil der webenden Bauers-
frauen schon seit Jahren
zum Nachtheil des Artikels
in den Fehler, Blumen-
muster , ganz besonders
Rosen, zu bringen. Diese,
wie auch die sehr üppigen
Blätter und andere, klei-
nere Blümchen des Musters,
in den allergrellsten, das
Auge beleidigenden Farben-
tönen gehalten, wirken ge-
radezu scheusslich. Beim
Anblicke der Rosen, die
zum Ueberfluss noch Kohl-
köpfen gleichen, bekommt
man förmliche Anfälle von
Schüttelfieber. — Um die
Kunst der Teppich-Weberei
zu fördern und in den richtigen Bahnen zu
halten, gründete man in Nagy-Becskerek im
Jahre 1884 eine Schule, an welcher junge
Mädchen unter berufener Leitung im Weben
unterrichtet wurden. Diese Schule, welche
fortwährend mit finanziellen Schwierigkeiten
zu kämpfen hatte, wurde 1894 als Aktien-
Gesellschaft in eine Fabrik umgewandelt,
 
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