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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 6.1900

DOI Heft:
Heft 7 (April)
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Muthesius, Hermann: Über unsere häusliche Baukunst, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6696#0054

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Hermann Muthesius: lieber häusliche Baukunst.

OTTO ECKMANN — BERLIN. Fuss-Ansicht vorstehender Kassetie.

Ausgeführt von H. J. WERNER, HOF-JUWELIER IN BERLIN.

tausende mit der Aufgabe ihres ländlichen
Heims der weiteren Bethätigung ihres
Wohntriebes beraubt werden. Denn was
kann uns die Miethswohnung Wohnliches
bieten! Es ginge noch an, wenn wir die
baren Wände vorfänden und wenigstens der
bekleidende Ausbau uns überlassen bliebe.
Statt dessen ist alles fix nnd fertig aus-
dekorirt, und zwar in welcher Weise! Schwere
Stuck-Vouten, aufdringliche bunte Tapeten-
muster erschrecken jedes anständige Em-
pfinden durch ihre billige Grossthuerei, holz-
gemaserte hochverdachte Flügelthüren und
riesige Spiegelglasfenster scheinen uns in
das Prunkgemach eines Schlosses versetzen
zu wollen. Und das Alles spielt sich in einer
kleinbürgerlichen Wohnung von 800 Mark
Miethzins ab! Der Bauunternehmer hat hier
das ganze Unheil seines fürchterlichen Ge-
schmackes mit Behagen entfaltet und das
Publikum ist damit zufrieden. Wenn irgend

etwas, so zieht heute die städtische Mieths-
wohnung wie ein Zentnergewicht den öffent-
lichen Geschmack herunter. Hier muss der
erste Hebel zur Besserung ansetzen!

In neuerer Zeit ist es besser geworden.
Die wohlhabenderen Klassen haben wieder
angefangen, sich eigne Häuser zu bauen, und
so sehen wir beispielsweise in der Villen-
kolonie Grunewald bei Berlin eine wirklich
sehr ansprechende Auswahl von neueren
Einzelhäusern errichtet, die vorwiegend den
Anregungen entsprungen sind, die die deutsche
Renaissance uns gebracht hat, und zeigen,
dass auch moderne Architekten das Wohn-
haus mit Phantasie und Geschmack gestalten
können, wenn das Publikum darnach ver-
langt. Aber dennoch ist die hier einge-
schlagene Richtung eine einseitige und nicht
in jeder Beziehung gesunde. Der Fehler der
meisten dieser Häuser ist, dass sie zu viel
vorstellen wollen. Man entdeckt wieder eine
 
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