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Hermann Muthesius: Ueber häusliche Baukunsi.
OTTO ECKMANN—BERLIN.
stark äusserliche Auffassung. Man sieht es
den Häusern an, dass sie auf die malerische
Gruppe zugeschnitten sind, dass sie vor allem
ein gutes Strassenbild machen wollen, dass
sie mit den Strassenbesuchern liebäugeln.
Eine starke Gefallsucht spricht aus ihnen
und hierin äussert sich wieder jener Zug, der
unserer heutigen Gesellschaft als Stigma auf-
gedrückt ist, das Parvenüthum. Es scheint
fast, als hätte die städtische Miethswohnung
ihren schlechten Einfluss auch hierher über-
tragen. Ich muss gestehen, dass mir diese
Mängel erst völlig zum Bewusstsein ge-
kommen sind, seitdem ich die besten eng-
lischen Villen-Vororte gesehen habe, deren
Häuser nichts prätendiren, die ihre malerische
Erscheinung lediglich aus ihrer Grundriss-
gestaltung ableiten und die sich nicht an das
Strassenpublikum wenden, im Gegentheil,
ihre beste Seite meist nach dem rückliegenden
Garten hin entfalten.
Aber auch noch in anderer Beziehung
hat unsere städtische Etagenwohnung heute
die Vorstadtvilla und nicht zum Vortheil der
Sache beeinflusst, in den Höhen- und Grund-
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BÖS
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Die
von
HER
su
DER
im
Cannes
von
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P>lH3ebnte Jluflaje
Buch - Umschläge.
riss-Maassen der Räume. Wer beide Wohn-
arten, die in einer Etage und die in einem
Einzelhause kennen gelernt hat, der wird
sich bewusst geworden sein, dass die Etage
unbedingt grössere und höhere Räume ver-
langt als das freiliegende Haus. Grössere
Räume desshalb, weil im Einzelhause sofort
eine Bewegungsfreiheit im Garten, Vorgarten,
auf den Treppen, ja selbst auf der Strasse
für den Bewohner gegeben ist, die die Etage
nicht gewährt. Schliesst man dort die Flur-
thür, die nach dem schon zur Oeffentlichkeit
gehörenden Treppenhause führt, hinter sich,
so ist man auf das Bereich des Grundrisses
der Etage eingesperrt. Man entschliesst sich
nicht leicht, auf die Strasse zu gehen, um
sich einige Schritte Bewegung zu machen.
Dafür muss eine gewisse Geräumigkeit der
Wohnung entschädigen. Diese Maasse nun
aber auch auf das Einzelhaus zu übertragen,
ist ein Luxus, der das von der Etage her
gewohnte Maass von Bequemlichkeit sogleich
ungemein steigert. Er mag hingehen, wo
die Mittel ihn erlauben, aber durch eine der-
artige Gewohnheit wird das landläufige Einzel-
Hermann Muthesius: Ueber häusliche Baukunsi.
OTTO ECKMANN—BERLIN.
stark äusserliche Auffassung. Man sieht es
den Häusern an, dass sie auf die malerische
Gruppe zugeschnitten sind, dass sie vor allem
ein gutes Strassenbild machen wollen, dass
sie mit den Strassenbesuchern liebäugeln.
Eine starke Gefallsucht spricht aus ihnen
und hierin äussert sich wieder jener Zug, der
unserer heutigen Gesellschaft als Stigma auf-
gedrückt ist, das Parvenüthum. Es scheint
fast, als hätte die städtische Miethswohnung
ihren schlechten Einfluss auch hierher über-
tragen. Ich muss gestehen, dass mir diese
Mängel erst völlig zum Bewusstsein ge-
kommen sind, seitdem ich die besten eng-
lischen Villen-Vororte gesehen habe, deren
Häuser nichts prätendiren, die ihre malerische
Erscheinung lediglich aus ihrer Grundriss-
gestaltung ableiten und die sich nicht an das
Strassenpublikum wenden, im Gegentheil,
ihre beste Seite meist nach dem rückliegenden
Garten hin entfalten.
Aber auch noch in anderer Beziehung
hat unsere städtische Etagenwohnung heute
die Vorstadtvilla und nicht zum Vortheil der
Sache beeinflusst, in den Höhen- und Grund-
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Buch - Umschläge.
riss-Maassen der Räume. Wer beide Wohn-
arten, die in einer Etage und die in einem
Einzelhause kennen gelernt hat, der wird
sich bewusst geworden sein, dass die Etage
unbedingt grössere und höhere Räume ver-
langt als das freiliegende Haus. Grössere
Räume desshalb, weil im Einzelhause sofort
eine Bewegungsfreiheit im Garten, Vorgarten,
auf den Treppen, ja selbst auf der Strasse
für den Bewohner gegeben ist, die die Etage
nicht gewährt. Schliesst man dort die Flur-
thür, die nach dem schon zur Oeffentlichkeit
gehörenden Treppenhause führt, hinter sich,
so ist man auf das Bereich des Grundrisses
der Etage eingesperrt. Man entschliesst sich
nicht leicht, auf die Strasse zu gehen, um
sich einige Schritte Bewegung zu machen.
Dafür muss eine gewisse Geräumigkeit der
Wohnung entschädigen. Diese Maasse nun
aber auch auf das Einzelhaus zu übertragen,
ist ein Luxus, der das von der Etage her
gewohnte Maass von Bequemlichkeit sogleich
ungemein steigert. Er mag hingehen, wo
die Mittel ihn erlauben, aber durch eine der-
artige Gewohnheit wird das landläufige Einzel-