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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 6.1900

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Heft 8 (Mai)
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Muthesius, Hermann: Über unsere häusliche Bau-Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6696#0098

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Hermann Muthesius— London :

HANS CHRISTIANSEN. Pastell-Studie, n Aufziehendes Gewittert.

sonderen Umständen wird es abhängen,
ob wir die Fenster so oder so anordnen, ob
wir dem Zimmer da einen Ausbau geben,
dort eine lange undurchbrochene Wand an-
ordnen. Hier liegt die Enstehungs-Ursache
von Fensterreihen, Fensterform und -grosse,
von Erkern und Vorbauten, nicht in der
Facadendisposition. Das englische Wort für
Erker, bay-windew, Busenfenster, trifft hier
die Sache vortrefflich, während das deutsche
Wort Erker etwas herausgekragtes, also die
Nebensache, die äusserliche Auffassung be-
zeichnet. Die Anordnung der Wärmequelle
hat in Deutschland, wo der Ofen statt des
Kamins eingebürgert ist, nicht die grund-
legende Bedeutung wie in Ländern mit
Kaminen. In letzteren gibt sie geradezu
den Ausschlag für die ganze Zimmergestalt,
der Kamin bildet den Brennpunkt der
Zimmerausbildung. Um ihn schaart sich die
Familie, nach ihm ist desshalb der Teppich
gelegt und sind die Möbel gestellt, er findet
auch künstlerisch die bevorzugteste Aus-

bildung. Aehnliches fand zwar auch mit
unsern alten Töpferöfen statt, die nicht als
Schmuckstücke ausgebildet, von beträcht-
lichem Umfang und mit allerhand Zuthaten
wie Sitzbänken, Wärme-Nischen ausgestattet
waren und in einigen alten Bauernstuben
ist noch heute der grosse Ofen zu finden,
auf dessen Deckplatte man sich behaglich
ausstrecken kann. Mit der Verbesserung
der Oefen und vollends mit Einführung der
Zentralheizung ist die Wärmequelle als
künstlerisches Motiv mehr und mehr in den
Hintergrund geschoben worden. Wir streben
jetzt mehr dahin, das ganze Zimmer mit
einer behaglich erwärmten Luft anzufüllen,
als uns zum Genuss der unmittelbaren
strahlenden Wärme um das Feuer zu drängen.
Dabei muss zugestanden werden, dass die
Kaminländer gegenüber den Ofenländern
künstlerisch ungemein im Vorzug sind. Für
das kaminlose Zimmer gibt es keinen rechten
Mittelpunkt. Er muss durch die Anordnung
der Möbel geschaffen werden und ist wohl
 
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