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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 6.1900

DOI Heft:
Heft 8 (Mai)
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Muthesius, Hermann: Über unsere häusliche Bau-Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6696#0101

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Hermann Muthesius: lieber häusliche Bau-Kunst.

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RUDOLF BOSSELT. Studie zu einer Plakette.

steigen ist, als eine solche offen vor dem
Tieschauer daliegende. Es ist die, welche nicht
den ganzen Weg auf einmal zeigt. Durch
eine nach diesem Gesichtspunkte entwickelte
Treppenanlage kann es erreicht werden, dass
der Besteiger sich der Mühe des Aufstieges
gar nicht bewusst wird, wie viele Beispiele
des grossen englischen Architekten Normann
Schaw zeigen. Alles in allem ist gegen die

Halle, ganz besonders natürlich vom wirth-
schaftlichen Standpunkte aus, viel einzu-
wenden und ihre jetzige Bevorzugung in
kleinen oder mittleren Häusern scheint auch
lediglich auf einer vorübergehenden Mode
zu beruhen — wie so Manches andere.

Was die äussere Gestaltung des Hauses
anbetrifft, so kann nur in der grössten
Natürlichkeit im Aufbau und Ausblildung
das Heil liegen. Vier Wände und ein Sattel-
dach sind unter Umständen künstlerisch mehr
werth, als eine künstlich wild gemachte
»malerische« Hausgruppe. Wie packende
Wirkungen finden sich in unseren Bauern-
häusern einfachster Art! Nimmt der Archi-
tekt hier nur die Farbe zu Hülfe, so braucht
er um die künstlerische Erscheinung auch
eines nach den einfachsten Gesichtspunkten
zugeschnittenen Hauses nicht bange zu sein.
Und dann lasse er diejenigen inneren An-
ordnungen sprechen, die er beim Grundriss-
entwurf getroffen hat. Eine Fensterreihe
gerade dort, wo sie noth wendig ist, ein das
Zimmer in beträchtlicher Ausbauchung er-
weiternder Erker da, wo ihn die Gestalt des
Zimmers fordert: sie werden, richtig ver-
arbeitet, den Reiz des Bauwerkes durch die
Sachlichkeit ihres Auftretens nur erhöhen
und von selbst jenes malerische Gepräge
schaffen, das wir jetzt so häufig durch künst-
liche Mittel zu erreichen suchen. Natürlich
weiss jeder Architekt, dass eine Verarbeitung
und künstliche Einfügung solcher Theile in
das Ganze vorgenommen werden muss, dass
man die Theile nicht roh stehen lassen kann,
wie sie der Grundriss ergibt. Sonst wäre
das Bauen eben keine Kunst.

Mit den einfachsten Motiven lassen sich
gerade die dankbarsten Wirkungen erreichen.
Es gibt gewisse natürliche Motive des Haus-
baues, für die jeder Mensch ein Verständniss
hat, weil sie ihn seelisch auf näherem Wege
berühren als eine akademische oder sonst
eine schulmässige Architektur. Wer hätte
nicht schon, wenn er sich als müder Wanderer
der Stätte näherte, die ihm Obdach ver-
sprach, das Behagen vorgeahnt, das ihm die
Ruhe unter dem breiten Dache gewähren
würde, wem hätte nicht schon der rauchende
Schornstein bei sinkender Sonne die Er-
 
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