Von altem und neuem Flach-Ornament.
387
nicht bekritteln: gebärdet
sich aber das Unzureichende
als besondere Genialität, so
ist ein Einspruch höchst noth-
wendig. Da aber steckt's!
Blicken wir einen Augen-
blick rückwärts! Hinter uns
liegt eine Epigonenzeit, die
ein Jahrhundert der Ver-
gangenheit nach dem an-
deren künstlerisch nachzu-
leben und wiederzubeleben
suchte und doch kein Ge-
nüge dabei fand. Je krampf-
hafter die Verarbeitung des
Alten war, desto grösser
wurde die Ermüdung. Und
für diese Ermüdung fand
man zuletzt gar eine schlaffe
Begeisterung, nannte sie »fin
de siecle«, und ihre Opfer,
junge Greise, wandelten als
»decadents« in langen
schlaffen Röcken krumm-
buckelig daher und behaup-
teten, nun die äusserste
Verfeinerung aller Empfin-
dungen erreicht zu haben.
In der Literatur zeigt sich
das noch deutlicher als in
den bildenden Künsten. Das
Weltbild verflüchtigt sich
immer mehr; eine nervöse,
in alle Falten der Seele —
und zwar einer gar nicht
grossen Seele — sich hinein-
wühlende Auseinanderleg-
ung mittelwerthiger Empfin-
dungen ist meist die ganze
»Stärke« dieser Herren; eine
lächerliche Selbstbespiege-
lung klingt durch alle Ge-
suchtheiten ; nach einem Zuge
von Mannhaftigkeit, ja von
objektivem, starkem Denken
sucht man bei diesen kahl-
rasirten »Tiefernsten« meist vergebens.
Beschaut man aber einmal ihre Probleme
etwas näher — denn sie haben stets ästhe-
tische Probleme zu lösen, — so muss
PAUL BURGK.
Entwurf für Wand-Teppich.
man mit Erstaunen bemerken, dass sie
sich immer nur um Theile bemühen, Ele-
mente der Kunst, die die früheren Kunst-
epochen längst auch, aber nebenbei und mit
387
nicht bekritteln: gebärdet
sich aber das Unzureichende
als besondere Genialität, so
ist ein Einspruch höchst noth-
wendig. Da aber steckt's!
Blicken wir einen Augen-
blick rückwärts! Hinter uns
liegt eine Epigonenzeit, die
ein Jahrhundert der Ver-
gangenheit nach dem an-
deren künstlerisch nachzu-
leben und wiederzubeleben
suchte und doch kein Ge-
nüge dabei fand. Je krampf-
hafter die Verarbeitung des
Alten war, desto grösser
wurde die Ermüdung. Und
für diese Ermüdung fand
man zuletzt gar eine schlaffe
Begeisterung, nannte sie »fin
de siecle«, und ihre Opfer,
junge Greise, wandelten als
»decadents« in langen
schlaffen Röcken krumm-
buckelig daher und behaup-
teten, nun die äusserste
Verfeinerung aller Empfin-
dungen erreicht zu haben.
In der Literatur zeigt sich
das noch deutlicher als in
den bildenden Künsten. Das
Weltbild verflüchtigt sich
immer mehr; eine nervöse,
in alle Falten der Seele —
und zwar einer gar nicht
grossen Seele — sich hinein-
wühlende Auseinanderleg-
ung mittelwerthiger Empfin-
dungen ist meist die ganze
»Stärke« dieser Herren; eine
lächerliche Selbstbespiege-
lung klingt durch alle Ge-
suchtheiten ; nach einem Zuge
von Mannhaftigkeit, ja von
objektivem, starkem Denken
sucht man bei diesen kahl-
rasirten »Tiefernsten« meist vergebens.
Beschaut man aber einmal ihre Probleme
etwas näher — denn sie haben stets ästhe-
tische Probleme zu lösen, — so muss
PAUL BURGK.
Entwurf für Wand-Teppich.
man mit Erstaunen bemerken, dass sie
sich immer nur um Theile bemühen, Ele-
mente der Kunst, die die früheren Kunst-
epochen längst auch, aber nebenbei und mit