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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 6.1900

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Heft 8 (Mai)
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Einiges über die Medaille
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https://doi.org/10.11588/diglit.6696#0116

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398

Einiges über die Medaille.

wie sehr berechtigt die Klage über diese
Mängel aber ist, wird auch für den Laien
aus der Thatsache erhellen, dass sich unsere
Künstler immer noch zum grossen Theil nach
Paris und Wien wenden, um ihre fertigen
grossen Modelle in fertige kleine geprägte
oder gegossene Stücke ummünzen zu lassen.

Drittens: Das Publikum. Ihm fällt
nicht die kleinste Aufgabe zu an der Wieder-
belebung der Medaille. Häufigere Anwen-
dung derselben, das ist was noth thut. Denn
irgend eine Medaille auf irgend einen grossen
Mann zu machen, die dann in den Schub-
kästchen der Sammler spurlos verschwindet,
wo sie häufig nichts zu thun hat, als die
Sammlung zu vervollständigen, das ist das
Ideal für einen Medailleur noch nicht. Etwas
mehr in's Volk sollte die Medaille dringen.
Auf die alte, schöne Sitte der Festhaltung
von denkwürdigen Familien er eignissen ist
schon genugsam hingewiesen worden, weniger
aber auf die Porträtmedaille. Warum sollte
ein einfacher Mensch nicht eine Bildniss-
medaille von sich machen lassen? Mitunter
scheitert es einfach an einem Vorurtheil.
Leute, die sich oft photographiren lassen,
die ihr Bildniss in Oel oder Pastel malen,
ihre Büste in Marmor oder Bronze dar-
stellen lassen, schrecken davor zurück, eine
Medaille von sich anfertigen zu lassen, »das
sei doch nur für Fürsten.« Zur Zeit der
Renaissance in Italien und auch in Deutsch-
land war dem nicht so. Der Bildnisse ein-
facher Privatpersonen jener Zeit gibt es genug.
Eine Porträtmedaille ist doch kein Denkmal
und keine Monumentalplastik, sondern nur
ein Bildniss. Und wenn es sich um die
Darstellung eines schlichten Privatmannes
handelt, wird man die Medaille anders auf-
fassen, als wenn das Bild eines Fürsten,
Generals oder grossen Staatsmannes fest-
gehalten werden soll. In letzterem Falle
allerdings soll die Medaille monumentale
Grösse haben. Dann herrscht auch oft eine
irrige Ansicht über die Kostspieligkeit der
Herstellung. Die geprägte Medaille aller-
dings mit Vorder- und Rückseite ist durch
die Herstellung der Stempel mit grösseren
Kosten verknüpft. Aber z. B. eine einfache
Porträtmedaille oder Plakette, eine Seite,

und gegossen, nicht geprägt — das ist viel
weniger kostspielig; und wenn man bedenkt,
dass der Besteller, wenn das Modell einmal
gemacht ist, weitere Stücke giessen lassen
kann, wenn er einige davon verschenken
möchte, so ist das ein Moment, das wohl
in's Gewicht fallen könnte. Dann könnte die
Medaille viel mehr ausgenützt werden bei
Verleihung von Preisen, bei Geschenken,
die nur an eine Person zu geben sind. Statt
der ewigen Pokale, Becher und silbernen
Tafelgeräthe in Form von Segelboten mit
Tauen und Masten und Ankern z. B. würde
mancher Sieger gern eine Bronzemedaille
mit entsprechender Darstellung und Inschrift,
die nur einmal für ihn modellirt und ge-
gossen worden ist, in Empfang nehmen.
Wie fein Ii esse sich nicht das Briefpapier mit
einem gepressten Relief für ein vornehmes
Kaufhaus, einen Kunstsalon etc. herstellen,
wie vornehm nicht der Deckel eines kost-
baren Buches mit einer Plakette verzieren.
Kurz, der Gelegenheiten gäbe es in unserer
Zeit genug, wo die Kunst der Medaille in
Anspruch genommen, wo ihr schöne Auf-
gaben zugewiesen werden könnten. Und
wenn die Gewohnheit, sich der Medaille zu
bedienen, erst eine breitere Basis gewonnen
haben wird, wenn es erst allgemein mehr
zum Bewusstsein gekommen sein wird, was
mit dieser herrlichen Kunst nicht alles zu
machen, zu was allem sie nicht verwendet
werden kann, dann werden auch die Künstler
dafür sich finden, und diese wiederum die
Techniker schulen und erziehen. Die drei
angegebenen Uebel: Mangel an Künstlern
und Technikern und zu seltene Verwendung
der Medaille und Plakette stehen in inniger
Beziehung zu einander, und wer beiträgt,
sie zu beseitigen, Künstler, Techniker oder
Kunstfreund, der wird beitragen, dass sich
entfalte die herrliche »Kunst der Medaille«.

R. B.
 
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