Peter Behrens: Die Dekoration der Bühne.
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Streben nach Einfachheit. Das Verlangen,
der Malerei und der Dekoration auf der
Bühne ein besseres Recht zu gewähren, hat
nicht das Ziel, pomphafte Ausstattungsstücke
zu schaffen, sondern nur, die bildende Kunst
ihre vornehme Sprache sprechen, den Gesang
ihrer Linien erklingen und die Harmonie
ihrer Farben ertönen zu lassen. Die De-
korations-Malerei, wie wir sie in des Wortes
übler Bedeutung Verstehen, möge ihr Hand-
werk auf der Bühne aufgeben und auch
dort Platz machen der dekorativen Kunst,
die wir stolz jubelnd überall einziehen sehen
in Palast wie Dachkammer.
Die geeignetesten Vorwürfe für die Aus-
führung dieser Ideen bilden Stücke von zeit-
genössischen Dichtern, da diese im ganzen
Arrangement Freiheit bieten, und dann ist
der harmonische Zusammenhang der Sprache,
der Musik und der Dekoration aus der gleichen
Zeit, durch denselben Drang und Geist am
besten erleichtert. Bei früheren Dichtern liegt
die Gefahr nahe durch das Historische mehr
kultur- und kunstgeschichtlich lehrend zu
wirken, als die rein sinnliche Schönheit, das
wirklich Künstlerische hervortreten zu lassen.
Jedenfalls sollte aber auch bei historischen
Stücken, ausser der peinlichsten Sorgfalt in
der Beobachtung des geschlossenen Bildes
vom archäologischen Standpunkt und um-
sichtiger Vermeidung irgend welcher Ana-
chronismen, dem Ganzen ein künstlerischer
Styl anhaften. Man wird hier am besten die
Dekoration in der Art der Malerei der Zeit
des Stückes oder des Dichters halten. Zum
Beispiel manche Stücke Shakespeares in der
heroischen Art Altdorfer's oder Rokoko-
Stücke in der galanten Art Watteau's.
Das Hauptgewicht der ganzen Dekora-
tion, die vom Zuschauer-Raum durch einen
monumentalen Rahmen abgeschlossen wird,
ist auf den Hintergrund zu legen. Die Ma-
lerei sollte soweit stylistisch, fast oder ganz
zur Auflösung ins Ornament, behandelt wer-
den, dass die ganze Stimmung des Aktes
durch Farbe, Linie getroffen wird. Die
Malerei soll eben keine Natur darstellen,
sondern ein schöner, karakterischer Hinter-
grund sein, vor dem schöne Menschen in
prächtigen Gewandungen und mit feinen
Bewegungen die schönste Sprache reden.
Die Kostüme der Chöre und Statisten sind
für koloristische Wirkungen auszunützen, die
der Haupt-Darsteller als selbständige Kunst-
werke, bei modernen Stücken sogar als Bei-
spiele feinsten Geschmackes zu betrachten.
Die Beleuchtung, dieses wichtige Hülfs-
mittel, die heute durch das elektrische Licht
Möglichkeiten ungeahnter Stimmungen er-
öffnet, soll im subtilsten Sinne Verwendung
finden. Wir werden die schwüle Gluth eines
Sommertages oder den feuchten Glanz einer
Mondnacht anders begreifen als, missglückte
Kunststücke billigster Bühneneffekte.
Wie in der Natur das Licht seinen ver-
söhnenden Glanz über das All ergiesst und
alles umbindet zur hohen Harmonie, so soll
sich vor uns der Vorhang theilen, um auf
der Bühne das überwältigende Bild der
höchsten Harmonie durch das Zusammen-
wirken aller schönen Künste zu erleben.
Professor Peter Behrens—Darmstadt.
1900. vm. 7.
405
Streben nach Einfachheit. Das Verlangen,
der Malerei und der Dekoration auf der
Bühne ein besseres Recht zu gewähren, hat
nicht das Ziel, pomphafte Ausstattungsstücke
zu schaffen, sondern nur, die bildende Kunst
ihre vornehme Sprache sprechen, den Gesang
ihrer Linien erklingen und die Harmonie
ihrer Farben ertönen zu lassen. Die De-
korations-Malerei, wie wir sie in des Wortes
übler Bedeutung Verstehen, möge ihr Hand-
werk auf der Bühne aufgeben und auch
dort Platz machen der dekorativen Kunst,
die wir stolz jubelnd überall einziehen sehen
in Palast wie Dachkammer.
Die geeignetesten Vorwürfe für die Aus-
führung dieser Ideen bilden Stücke von zeit-
genössischen Dichtern, da diese im ganzen
Arrangement Freiheit bieten, und dann ist
der harmonische Zusammenhang der Sprache,
der Musik und der Dekoration aus der gleichen
Zeit, durch denselben Drang und Geist am
besten erleichtert. Bei früheren Dichtern liegt
die Gefahr nahe durch das Historische mehr
kultur- und kunstgeschichtlich lehrend zu
wirken, als die rein sinnliche Schönheit, das
wirklich Künstlerische hervortreten zu lassen.
Jedenfalls sollte aber auch bei historischen
Stücken, ausser der peinlichsten Sorgfalt in
der Beobachtung des geschlossenen Bildes
vom archäologischen Standpunkt und um-
sichtiger Vermeidung irgend welcher Ana-
chronismen, dem Ganzen ein künstlerischer
Styl anhaften. Man wird hier am besten die
Dekoration in der Art der Malerei der Zeit
des Stückes oder des Dichters halten. Zum
Beispiel manche Stücke Shakespeares in der
heroischen Art Altdorfer's oder Rokoko-
Stücke in der galanten Art Watteau's.
Das Hauptgewicht der ganzen Dekora-
tion, die vom Zuschauer-Raum durch einen
monumentalen Rahmen abgeschlossen wird,
ist auf den Hintergrund zu legen. Die Ma-
lerei sollte soweit stylistisch, fast oder ganz
zur Auflösung ins Ornament, behandelt wer-
den, dass die ganze Stimmung des Aktes
durch Farbe, Linie getroffen wird. Die
Malerei soll eben keine Natur darstellen,
sondern ein schöner, karakterischer Hinter-
grund sein, vor dem schöne Menschen in
prächtigen Gewandungen und mit feinen
Bewegungen die schönste Sprache reden.
Die Kostüme der Chöre und Statisten sind
für koloristische Wirkungen auszunützen, die
der Haupt-Darsteller als selbständige Kunst-
werke, bei modernen Stücken sogar als Bei-
spiele feinsten Geschmackes zu betrachten.
Die Beleuchtung, dieses wichtige Hülfs-
mittel, die heute durch das elektrische Licht
Möglichkeiten ungeahnter Stimmungen er-
öffnet, soll im subtilsten Sinne Verwendung
finden. Wir werden die schwüle Gluth eines
Sommertages oder den feuchten Glanz einer
Mondnacht anders begreifen als, missglückte
Kunststücke billigster Bühneneffekte.
Wie in der Natur das Licht seinen ver-
söhnenden Glanz über das All ergiesst und
alles umbindet zur hohen Harmonie, so soll
sich vor uns der Vorhang theilen, um auf
der Bühne das überwältigende Bild der
höchsten Harmonie durch das Zusammen-
wirken aller schönen Künste zu erleben.
Professor Peter Behrens—Darmstadt.
1900. vm. 7.