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Hans Schliefmann: Vom alten und neuen Flach-Ornament.
Haus Niederhaide, Villa des Herrn Alb. Oetker in Schief bahn bei Krefeld.
HUGO KOCH—KREFELD.
Kleeblätter schier von Tellergrösse und meint
sie durch die Merkmale freihändiger Schmiede-
bearbeitung rieseninteressant zu machen; da
dringt das Prinzip der Plakatkunst in die
Malerei ein. Die Bäume werden nur noch
Farbenflecke, die Wolken scheinen Mehl-
speisen-Sauce und dergleichen mehr.
Mit dieser Verkennung der Maassstab-
gesetze und der überkünstelten Einfachheit
hängt es ferner zusammen, dass man auch
den natürlichen Maassstab des Figürlichen
nicht mehr kennen will. Ich meine damit
das Streben, höheres Leben rein dekorativ
zu verwerthen. Ein krasses Beispiel möge
das Bizarre solcher Stilwidrigkeit fühlbar
machen; man denke sich ein Kriegerdenk-
mal mit einem Fries, in dem die Köpfe Bis-
marcks und Moltke's in etwa Tellergrösse
rein dekorativ einige zwanzig Male dicht
neben einander wiederkehren. Das wäre
geschmackwidrig, weil diesen Köpfen so viel
Individualität innewohnt, dass sie durch eine
Massenverwendung schimpfirt erscheinen.
Die Ornamentik hat in allen guten Perioden
sehr genau gewusst, dass sie — vorausgesetzt,
dass es sich nicht etwa um einzelne Zier-
stücke symbolischer Art, sondern um ein rein
dekoratives, sagen wir »musikalisches« Muster
handelt — ihre Vorbilder nur insoweit be-
nutzt, als ihre Linie, Fläche und Farbe dem
Muster dienlich erscheinen. Daher stilisirt
sie mit Vorliebe die leblosere Pflanze, und
das Thier in konventionalen Stellungen. Dass
eine Erweiterung dieses Formenschatzes
möglich ist, bestreite ich gar nicht. Ich
möchte übrigens nebenbei auf die Welt des
Mikroskopes, namentlich die Radiolarien
verweisen, die geradezu wundervolle Motive
liefern könnte; ich höre, dass der bekannte
Prof. Ernst Häckel mit der Absicht umgeht,
diesen Schatz der Kunst zu erschliessen.
Ich verweise auch auf die Verwendung der
Fische, die z. B. Eckmann mit sehr grossem
Geschick in seine Ornamentik aufgenommen.
Aber je höher das Thier-Individuum in
der Entwickelung steht, desto bedenklicher,
Hans Schliefmann: Vom alten und neuen Flach-Ornament.
Haus Niederhaide, Villa des Herrn Alb. Oetker in Schief bahn bei Krefeld.
HUGO KOCH—KREFELD.
Kleeblätter schier von Tellergrösse und meint
sie durch die Merkmale freihändiger Schmiede-
bearbeitung rieseninteressant zu machen; da
dringt das Prinzip der Plakatkunst in die
Malerei ein. Die Bäume werden nur noch
Farbenflecke, die Wolken scheinen Mehl-
speisen-Sauce und dergleichen mehr.
Mit dieser Verkennung der Maassstab-
gesetze und der überkünstelten Einfachheit
hängt es ferner zusammen, dass man auch
den natürlichen Maassstab des Figürlichen
nicht mehr kennen will. Ich meine damit
das Streben, höheres Leben rein dekorativ
zu verwerthen. Ein krasses Beispiel möge
das Bizarre solcher Stilwidrigkeit fühlbar
machen; man denke sich ein Kriegerdenk-
mal mit einem Fries, in dem die Köpfe Bis-
marcks und Moltke's in etwa Tellergrösse
rein dekorativ einige zwanzig Male dicht
neben einander wiederkehren. Das wäre
geschmackwidrig, weil diesen Köpfen so viel
Individualität innewohnt, dass sie durch eine
Massenverwendung schimpfirt erscheinen.
Die Ornamentik hat in allen guten Perioden
sehr genau gewusst, dass sie — vorausgesetzt,
dass es sich nicht etwa um einzelne Zier-
stücke symbolischer Art, sondern um ein rein
dekoratives, sagen wir »musikalisches« Muster
handelt — ihre Vorbilder nur insoweit be-
nutzt, als ihre Linie, Fläche und Farbe dem
Muster dienlich erscheinen. Daher stilisirt
sie mit Vorliebe die leblosere Pflanze, und
das Thier in konventionalen Stellungen. Dass
eine Erweiterung dieses Formenschatzes
möglich ist, bestreite ich gar nicht. Ich
möchte übrigens nebenbei auf die Welt des
Mikroskopes, namentlich die Radiolarien
verweisen, die geradezu wundervolle Motive
liefern könnte; ich höre, dass der bekannte
Prof. Ernst Häckel mit der Absicht umgeht,
diesen Schatz der Kunst zu erschliessen.
Ich verweise auch auf die Verwendung der
Fische, die z. B. Eckmann mit sehr grossem
Geschick in seine Ornamentik aufgenommen.
Aber je höher das Thier-Individuum in
der Entwickelung steht, desto bedenklicher,