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L. von Pezold: Karlsrither Kunst-Genossenschaft.
PROFESSOR ERNST SCHURTH—KARLSRUHE
Gewand-Studien.
als ein Ganzes für sich zu betrachten sein.
Für eine grössere geschichtliche Beurtheilung
kommen nur die wirklich originalen und
ernstesten Leistungen in Betracht, die gerade
in ihrer Ursprünglichkeit auf den festen,
gemeinsamen Boden hinweisen.
Doch —■ geben des Weiteren wir den
Abbildungen dieses Heftes das Wort.
Zuerst den Landschaften:
Man hat sich daran gewöhnt, seit
Schirmer's Zeit in Karlsruhe die Pflanzschule
der stilisirten Landschaft zu sehen. Diese
Bezeichnung ist — wie so manche land-
läufige im Gebiete der Kunst — keineswegs
präzise. Die stilisirte Landschaft heisst wohl
auch die heroische, die historische, die -mytho-
logische. An sie knüpft sich dann das Ge-
biet der romantischen, dann der südländischen
Landschaft an. Allen diesen Bezeichnungen
gegenüber erhebt die reale, naturwahre,
vaterländische Landschaft den Anspruch, auf
dem rechten Wege zu sein. Sodann fordert
auch die Stimmung ohne j ede äussere Bestim m-
barkeit das Wort, eine Richtung, aus welcher
Meisterwerke neuzeitlicher Malerei hervor-
gegangen sind, aber auch manche Entartungs-
Erscheinung auf koloristischem Gebiete.
Solchen Neigungen bleiben die hier
zusammengetragenen Landschaften fern, doch
— selbst in ihrer geringen Zahl — lassen
sie verschiedene jener Kunstgattungs - Be-
zeichnungen auf sich verwenden. Freilich
vermissen wir Schirmer's bedeutenden Zeit-
genossen, der noch rüstig in seinem alten
Glaubensbekenntniss treu als Rottmann's
Schüler unter uns wirkt; es ist leider unter
den Blättern kein Bild Wilhelm Klohn's
als Zeugniss grosser Naturauffassung und
schlichten Ernstes der Darstellung. Ver-
wandt im Sinne der grossen, einfachen
und ernsten Kunst ist Edmund Kanoldt's
»Brandung«. Er hat das Bild ein mytho-
logisches und speziell »Sappho« genannt. Die
griechische Dichterin tritt in der Einsamkeit,
die sie umgibt, kaum hinter dem leukadischen
Felsgeröll hervor, aber ihr Betgesang tönt
durch das Brausen der Wogen:
Steige hülfreich herab, Aphrodite, und heile
Mir des Herzens brennenden Schmerz ! Ach, stille
Die mich verzehrt, die Sehnsucht!
Und mit romantischem Zauber erfasst
uns in Professor Keller's dunkelem Park
die feierliche Stille — auf dem Weiher
gleiten stille Schwäne, eine Jungfrau träumt
am Ufer, südliche Baumpracht schützt den
Frieden. — Zu greifbarerem Schauplatz führen
uns Manuel Wielandt's »Ansichten vom
Mittelmeer-Gestade«. Wer die hellen Felsen
L. von Pezold: Karlsrither Kunst-Genossenschaft.
PROFESSOR ERNST SCHURTH—KARLSRUHE
Gewand-Studien.
als ein Ganzes für sich zu betrachten sein.
Für eine grössere geschichtliche Beurtheilung
kommen nur die wirklich originalen und
ernstesten Leistungen in Betracht, die gerade
in ihrer Ursprünglichkeit auf den festen,
gemeinsamen Boden hinweisen.
Doch —■ geben des Weiteren wir den
Abbildungen dieses Heftes das Wort.
Zuerst den Landschaften:
Man hat sich daran gewöhnt, seit
Schirmer's Zeit in Karlsruhe die Pflanzschule
der stilisirten Landschaft zu sehen. Diese
Bezeichnung ist — wie so manche land-
läufige im Gebiete der Kunst — keineswegs
präzise. Die stilisirte Landschaft heisst wohl
auch die heroische, die historische, die -mytho-
logische. An sie knüpft sich dann das Ge-
biet der romantischen, dann der südländischen
Landschaft an. Allen diesen Bezeichnungen
gegenüber erhebt die reale, naturwahre,
vaterländische Landschaft den Anspruch, auf
dem rechten Wege zu sein. Sodann fordert
auch die Stimmung ohne j ede äussere Bestim m-
barkeit das Wort, eine Richtung, aus welcher
Meisterwerke neuzeitlicher Malerei hervor-
gegangen sind, aber auch manche Entartungs-
Erscheinung auf koloristischem Gebiete.
Solchen Neigungen bleiben die hier
zusammengetragenen Landschaften fern, doch
— selbst in ihrer geringen Zahl — lassen
sie verschiedene jener Kunstgattungs - Be-
zeichnungen auf sich verwenden. Freilich
vermissen wir Schirmer's bedeutenden Zeit-
genossen, der noch rüstig in seinem alten
Glaubensbekenntniss treu als Rottmann's
Schüler unter uns wirkt; es ist leider unter
den Blättern kein Bild Wilhelm Klohn's
als Zeugniss grosser Naturauffassung und
schlichten Ernstes der Darstellung. Ver-
wandt im Sinne der grossen, einfachen
und ernsten Kunst ist Edmund Kanoldt's
»Brandung«. Er hat das Bild ein mytho-
logisches und speziell »Sappho« genannt. Die
griechische Dichterin tritt in der Einsamkeit,
die sie umgibt, kaum hinter dem leukadischen
Felsgeröll hervor, aber ihr Betgesang tönt
durch das Brausen der Wogen:
Steige hülfreich herab, Aphrodite, und heile
Mir des Herzens brennenden Schmerz ! Ach, stille
Die mich verzehrt, die Sehnsucht!
Und mit romantischem Zauber erfasst
uns in Professor Keller's dunkelem Park
die feierliche Stille — auf dem Weiher
gleiten stille Schwäne, eine Jungfrau träumt
am Ufer, südliche Baumpracht schützt den
Frieden. — Zu greifbarerem Schauplatz führen
uns Manuel Wielandt's »Ansichten vom
Mittelmeer-Gestade«. Wer die hellen Felsen