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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 6.1900

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Heft 10 (Juli)
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Osborn, Max: Franz Metzner
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https://doi.org/10.11588/diglit.6696#0217

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Dr. Max Osborn: Franz Metzner.

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eine ganze phantastische Porzellan-
welt. Er entlockte dem glänzen-
den Material eine Fülle seltsamster
menschlicher, thierischer, halbgött-
licher Gestalten, die als Reliefs
auf den Schalen und Tellern, als
runde plastische Figuren an den
Vasen, Kübeln, Aufsätzen und
Urnen auftraten. In verschwom-
menen Umrissen erscheinen ge-
heimnissvolle Masken und nie
gesehene Lebewesen; ein Tinten-
fisch streckt seine Krabbelfüsse
aus; ein tausendjähriger Seegreis
spuckt das Salzwasser aus auf
dem Meeresgrund, dass die flin-
ken Eidechsen schnell Reissaus
nehmen; ein Fisch zappelt an der
Angelschnur, die zugleich den
Kontur der Schale bildet. Die
Hälse der Vasen endigen in
komisch - grotesken Fratzen mit
Glotzaugen und Schwimmhaut-
ohren , denen sich wohl weiter
unten noch ein paar Fledermaus-
flügel zugesellen. Oder der
Künstler steigt herab in die Tiefen des
Wassers und schildert den Kampf ums Da-
sein unter dem Spiegel: der Frosch verschlingt
den Schmetterling, aber schon sperrt ein
grässliches Ungethüm, halb Pelikan, halb
Meerdrache, den Schnabel auf, um ihn bei
seiner Mahlzeit unangenehm zu überraschen.
Dann wieder erscheinen menschenähnliche
Gestalten. Eine verzückte Tänzerin im
Serpentingewand löst sich aus der Masse
einer Blumenvase. Zwei schmerzliche Frauen-
gesichter wachsen als Henkel aus einer Urne
heraus. Ein nacktes Märchen - Prinzesschen
hält Zwiesprache mit dem Froschkönig. Zu-
sammengekauert in tiefer Zerknirschung
liegt ein Jüngling vor der grausamen »Lebens-
Sphinx«, die mit starren, kalten, traurigen
Augen über ihn hinweg ins Leere blickt;
ihr Kopf ist über der Stirn abgeschnitten
wie eine der unheimlichen Masken von
Fernand Khnopff, und aus der Hirnschale
dieser Personifikation des altewigen Lebens-
räthsels sollen frische Blumen emporsteigen.
Es gibt nicht gerade viele unter den jüngeren

franz metzner—berlin. Porzellan- Vase.

Ausgeführt von der Kgl. Porzellan-Manufaktur.

Bildhauern Deutschlands, die so viel positives
Können mit so viel Empfindung und Gedanken-
reichthum verbinden wie Franz Metzner.
Man darf darauf gespannt sein, was er uns in
Zukunft bringen wird. Freilich, der still und
einsam Arbeitende, der so wenig die Fähig-
keit besitzt, seine Ellenbogen zu gebrauchen,
wird eine verständnissvolle Förderung nicht
entbehren können, um seinen Weg weiter-
zufinden. Zunächst möchte man ihm wünschen,
dass er wenigstens einmal die Freude hätte,
seine freien Arbeiten in dem Material aus-
geführt zu sehen, für die er sie bestimmt
hat. Ein doppelter Gewinn würde daraus
resultiren: nicht nur, dass die schönen Werke
dem vergänglichen Gipszustand entrissen
würden, auch Metzner selbst würde unend-
lich viel für sich dabei lernen, um seinen
persönlichen Stil zu befestigen und weiter
auszubauen. Dr. Max Osborn.

TVTOTIZ. Die Arbeiten Metzners erscheinen hier zum
ersten Male. Es sei bemerkt, dass die Reproduktionen
nur einen Begriff von den Formen geben können, nicht
aber von der sehr wesentlichen Materialwirkung. Die Red.
 
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