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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 6.1900

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Heft 12 (September)
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Osborn, Max: S. Bing's "Art nouveau" auf der Welt-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6696#0298

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Dr. Max Osborn: Bing's -»Art nouveau«. auf der Welt-Ausstellung.

gehalten, im wohlthuenden Gegensatz zu
Galle und Majorelle, die bei ihren Intarsien-
Möbeln die natürlichen Formen von Blumen
und Ranken allzu realistisch verwenden.
Reizend ist der Teppich des Colonna - Zim-
mers: ein duftiger rosa Grund von leichter
Pastellfarbe, mit zierlichen Blümchen japa-
nisch überstreut und von einem zart-dunkel-
grauen Rande höchst graziös eingefasst.

De Feure aber ist mit dem feinsten Ver-
ständniss auf Bing's Intentionen eingegangen.
Der junge Künstler hat keinen grossen
Formenreichthum, aber was er besitzt, das
beherrscht er souverän, mit spielender Leich-
tigkeit. An der zierlichen, liebenswürdigen,
ein klein bischen preziösen, aber gerade
darum so urfranzösischen Eleganz seines
Salons, an der praktischen Appetitlichkeit
seines Toilettenzimmers kann man sich nicht
satt sehen. De Feure ist der gelehrige Schüler
des Bing'schen Eklektizismus. Im Salon
hält er sich an die heimathliche Tradition,
die er mit entzückender Kunst modernisirt.
Da ist der wohlbekannte Vertikow, der
Kamin in der Mitte der dem Fenster gegen-
überliegenden Wand, da sind die schlanken

Stühle, die Fauteuils mit den niedrigen
Polsterlehnen und die kleinen Sophas, die
nur zum munteren Plaudern, nicht zum
Schnarchen einladen. Aber es ist doch alles
anders als in den Hotels der vornehmen
Familien des Faubourg St. Germain. Es ist,
als ob sich die alten Formen durch die
frische Sprache der neuen Zierkunst wieder
verjüngt hätten. Mit welchem Geschick
hat de Feure den Plafond gegliedert, in
dem er das Mittelstück höher legte als
den Rand, wie behaglich ist ihm das
Tisch-Arrangement an dem breiten Fenster
gelungen, durch dessen gelbliche Scheiben
das Tageslicht zart gedämpft wird, wie
delikat sind die Blumenmuster der Möbel-
bezüge und des gewirkten Seidenstoffes,
der die Wände verkleidet, wie viel origi-
nelle Bizarrerie steckt in dem Paravent,
in dem Spiegel, in dem Kaminvorsatz und
zahlreichen verstreuten Einzelheiten. Beim
Entwurf der Möbel für das Toilettenzimmer
hat der Künstler sich an die Engländer an-
geschlossen; auf britische Vorbilder deuten
Stoffe und Stores, der Waschtisch mit den
im Ton zum Ganzen trefflich stimmenden

G. DE FEURE—PARIS.

Fauteuils aus dem Toilette-Zimmer.
 
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