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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 6.1900

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Heft 12 (September)
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Osborn, Max: S. Bing's "Art nouveau" auf der Welt-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6696#0304

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568 Dr. Max Osborn: Bing's »Art nouveau« auf der Welt-Ausstellung.

Kacheln und die kostbare Onyxplatte, die
Toilette und die fächerreichen Schränke.
Die handlichen Griffe und kunstvollen Be-
schläge der letzteren weisen dagegen sehr
deutlich auf van de Velde; man glaubt hie
und da einer Spange oder Brosche des
belgischen Meisters zu be-
gegnen. Und doch ist das
Ganze, solche Entgleisungen
abgerechnet, selbständig ver-
arbeitet und ganz franzö-
sisch gehalten. Nur mit
den Stühlen, die auf hellem
Stoffe die gestickten Rosen
tragen, kann ich mich nicht
befreunden. Das scheinen
mir Ausstellungs-Objekte zu
sein, die sich zum täglichen
Gebrauch recht wenig eig-
nen. Doch man muss dabei
in Betracht ziehen, dass nach
französischer Sitte Schlaf-
und Toiletten-Zimmer heute
so gut wie vor hundert
Jahren bei gesellschaftlichem
Empfang geöffnet und mit-
benutzt werden; da mögen
denn auch Möbel, die am
Alltag ein schützender Bezug
sorglich einhüllt, ihre prak-
tische Berechtigung haben.

De Feure ist auch der
vielseitigste der Bing'schen
Künstler: erführt uns neben
den genannten Arbeiten
dekorative Malereien und
Kunst - Verglasungen vor,
die von einer grossen Be-
gabung rühmliche Kunde
geben. Hier sind es die
Japaner, die es ihm ange-
than haben. Seltsame weib-
liche Gestalten erblicken wir. Sie scheinen
mit ihren überlangen Gewändern und ihrer
eigenthünilich verrenkten Stellung aus alten
ostasiatischen Holzschnitten zu stammen;
aber die Gesichter, diese dekadenten, zarten
Gesichter mit den wissenden Augen, die
sind aus Europa, aus Frankreich, aus Paris!
In den Glasfenstern ist der japanische Grund-

G. DE FEURE—PARIS.

Beschlag aus dem Toilette-Zimmer

karakter am reinsten festgehalten. In den
Ecken des Salon-Paravents, in dem er eben-
falls erscheint, ist als pikante Zuthat noch
ein bischen Biedermaierstimmung hinzu-
gekommen; man denkt an Th. Th. Heine,
wenn man die stillen Schlossgärten im
Hintergrunde und die Wind-
spiele sieht. Auf den bril-
lanten Malereien an der
Fassade des Pavillons aber
ist die Raffinirtheit dieser
phantastischen dekorativen
Damen auf das höchste ge-
steigert. Zu ihren japa-
nischen und französischen
Zügen gesellt sich hier noch
ein Stich in's Spanische. Es
scheint, als habe dabei ein
Einfluss der Bilder William
Dannat's mitgesprochen, des
Amerikaners, der an der
Pariser Ecole des beaux arts
als Lehrer thätig ist. Von
Dannat mag auch die effekt-
volle Bühnenbeleuchtung der
Figuren stammen, das von
unten, wie von der Rampe
aus nach oben fallende Licht;
von Dannat mag schliesslich
auch der leise Anklang an
Manet herzuleiten sein, der
an den Köpfen und den
Toiletten vielfach auffällt.
Jedenfalls hat es de Feure
verstanden, alle diese An-
regungen vorzüglich zu ver-
werthen und mit ihrer Hilfe
in lustigen Plakatfarben Ge-
mälde von echtester deko-
rativer Wirkung zu schaffen.

Doch nur an der Aussen-
seite hat Bing diese kecke
Buntheit gestattet. Im Innern herrscht die
gelassene Vornehmheit gedämpfter Töne.
Ein sanftes, behagliches Braungelb geht
durch die Räume, nur selten von anderen
Farben unterbrochen; es wird im Speise-
zimmer satt und dunkel, nimmt im Toi-
lettenzimmer den Karakter sauberer Freund-
lichkeit an und hellt sich in den Em-
 
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